Nikos Kazantzakis: „Im Palast von Knossos“

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Der Mythos besagt, dass dem Palast von Knossos auf Kreta ein Labyrinth angeschlossen war, in dem der Minotauros hauste, ein Wesen, das halb Mensch, halb Stier war. Diesem fürchterlichen Ungeheuer mussten jedes Jahr die sieben schönsten Jungfrauen und die sieben besten Jünglinge aus Athen geopfert werden, denn Athen hatte den Krieg gegen Knossos verloren. Der Minotauros wiederum musste jedes Jahr zufrieden gestellt werden, denn er war auch der Garant für die Macht Kretas. Eine alte Weissagung besagte, dass der Bezwinger des Minotauros auch das Königreich Kreta beherrschen werde.

Niko Kazantzakis lässt in seinem Roman das antike Griechenland wieder auferstehen. Er beschreibt die Geschichte um den Palast von Knossos, wie sie hätte sein können. Dabei hält er sich weitgehend an den Mythos, erzählt aber in Romanform mit dichterischer Freiheit ein Stück Zeitgeschichte der Insel Kreta.

So war der Palast von Knossos nicht nur ein herrschaftliches Gebäude, sondern eine kleine Stadt mit Straßen, Tempeln und Werkstätten. Sogar ein Theater gab es dort und Parks mit exotischen Pflanzen, Affen, Kanarienvögeln, Pfauen und diversen Obstbäumen. In den Werkstätten arbeiteten Maler, Bildhauer, Graveure, Tischler, Schriftsetzer und Schmiede. Am bekanntesten waren die Töpferwerkstätten, die schon damals riesige Vorratskrüge herstellten. Tongefäße mit feinsten Bemalungen wie Blumen und Muscheln, aber auch Reliefdarstellungen von Sportwettkämpfen und Stieren. Im gesamten Mittelmeerraum waren die feinen Gefäße verbreitet. Neben Ölmühlen, Webereien und Färbereien gab es in Knossos sogar eine eigene Schule, in der den Kindern die Schriftzeichen auf weichen Tontafeln vermittelt wurden.

Die Herrschaftsstruktur war autoritär. Ein König bestimmte  alle gesellschaftlichen Strukturen. Die Arbeit erledigten Sklaven, die man vor allem aus dem eroberten Athen bezog. Doch irgendwann war die Zeit für einen Wechsel reif. Wie der Palast von Knossos schließlich dem Untergang geweiht war, beschreibt Nikos Kazantzakis detailreich und voller Spannung. Er erweckt dabei den Mythos um den Minotauros zu neuem Leben und enthüllt, was eigentlich dahinter steckt: den immerwährenden Kampf um die Macht.

Das Buch ist im Verlag der Griechenlandzeitung erschienen, umfasst 447 Seiten und kostet 21,80 Euro.

Barbara Raudszus

 

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