Saphia Azzeddine: „Mein Vater ist Putzfrau“

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Paul, vom Vater Polo genannt, ist Sohn einer Migrantenfamilie in Frankreich. Seine Mutter ist gelähmt und schaut den ganzen Tag fern oder spielt Sudoku. Den heimischen Herd hat Polos Vater „runter gesägt“, so dass die Mutter hin und wieder Crèpes backen oder die Lieblingsravioli aus der Dose aufwärmen kann. Der Vater und Ernährer der Familie arbeitet für eine Putzfirma, die durch ständigen Wechsel auch für die Zerstreuung der Angestellten sorgt. Alle zwei Monate ändert sich der Einsatzort, wechselt von einer Bibliothek zu einem Gemeindesaal, einem Nachtclub oder zu Büroräumen.

Polo macht sich über alles seine Gedanken. Er ist beispielsweise für die Todesstrafe, weil er glaubt, dass man auf Barbarei nur mit Barbarei antworten kann. „Was ist das für ein Idiot, der die andere Backe hinhält, wenn man ihm eine runterhaut?“ denkt er. Als Kind musste er eine grauenhafte Vergewaltigung durch seinen Onkel – den Bruder seiner Mutter – ertragen und wünscht dem Onkel seitdem den Tod. Er behält dieses schreckliche Erlebnis aber für sich, um nicht auch noch seinen Vater zu verlieren, wenn dieser mit dem Onkel abrechnen wollte.

Polo trifft sich nach der Schule häufig mit dem Vater auf dessen Putzstellen. Dann sammelt er beispielsweise ausgefallene Worte in einer Bibliothek und erweitert so seinen Wortschatz. Vater und Sohn bilden eine innige Gemeinschaft. Mit dem Vater kann Polo alles bereden, auch, dass er das Gefühl hat, sein Glied sei zu klein. Bei seinem Vater stößt er immer wieder auf viel Verständnis und erhält die Zuwendung, die er braucht. Als Polo schließlich mit viel Trickserei das Abitur besteht, ist der Vater mächtig stolz und schenkt ihm einen großen Geldbetrag, den er sich über Jahre vom Munde abgespart hat.

Polos große Liebe ist Priscilla. Er hat das Glück, dass sie ihn sogar wahrnimmt und sich sogar mit ihm unterhält. Er will natürlich mehr……

Der Roman schildert sehr plastisch und teilweise drastisch das Leben einer Migrantenfamilie am äußeren Rand der Gesellschaft und zeigt, wie Intelligenz sich trotz aller Widrigkeiten durchsetzt und welche Kraft und Lebensenergie die Geborgenheit aufgrund des guten Verhältnisses zwischen Vater und Sohn verleiht.

Das Buch ist im Wagenbach-Verlag erschienen, umfasst 123 seiten und kostet 9,90 Euro.

Barbara Raudszus

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