Hans Fallada: „Junge Liebe zwischen Trümmern“

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Hans Fallada ist dem breiten Publikum vor allem durch seine Romane bekannt, unter anderen „Kleiner Mann – was nun?“, „Wer einmal aus dem Blechnapf fraß“ und „Jeder stirbt für sich allein“. Diese stark autobiographischen Werke schildern Alltag und Nöte in der Weimarer Republik und dem Dritten Reich. Doch daneben hat er auch eine Reihe von – ebenfalls autobiographisch gefärbten – Erzählungen verfasst,. die teilweise sogar wie eine Abfolge eines autobiographischen Romans gelesen werden können.  Das vorliegende Hörbuch stellt eine Auswahl dieser Texte zur Verfügung, die Falladas alias Ditzens Fähigkeit zur lebendigen und psychologisch glaubwürdigen Schilderung von Charakteren und Situationen beweisen.

Wie ein Paukenschlag setzt die erste Erzählung bereits mit einem missglückten, als Duell kaschiertem Doppelsuizid. Der Ich-Erzähler überlebt, muss aber fürderhin mit der Schuld am Tod des Freundes leben. Genauso hat es Fallada als Gymnasiast selbst erlebt. Daraufhin eine Erzählung über einen jungen Mann, der für die Erschießung seines Freundes eingesessen hat und nun in einen Kreis junger hübscher Frauen gerät. Auch hier geschieht nichts Aufregendes, sieht man von einer sich zart ahnbahnenden, aber erfolglos bleibenden Annäherung an eine der Mädchen ab. Fallada beschreibt hier keine existenziellen Konflikte und Tragödien, sondern Befindlichkeiten, die er selbst erlebt hat und nur minimal als Fiktion verkleidet. Eine andere Geschichte erzählt von einem nächtlichen Marsch ohne Geld durchs kalte Land und das Zusammentreffen mit einem verrückten Pseudo-Maler und dessen Betreuerin. gerade diese Geschichte muss gerade wegen ihrer Unwahrscheinlichkeit auf einer echten Begebenheit beruhen. Dann wieder setzt er sich in einer längeren Erzählung mit einem ehemaligen Nachbar auseinander und schildert dessen persönlichen und beruflichen Werdegang über nahezu zwei Dekaden. Auch diese Geschichte kennt keine typische Pointe sondern schildert lediglich mit einer ausgeprägten Beobachtungsgabe einen bestimmten Menschentypus. Falladas eigene Tätigkeiten als Gutsverwalter oder als Redakteur und Abbonementsaquisiteur einer kleinen norddeutschen Zeitung finden ebenfalls ihren Niederschlag in eigenen Erzählungen, die jedoch nie explizit als eigene Erlebnisse ausgewiesen sind. Das trifft nur für die Reflexion über seinen Weg zum Schriftsteller, in der er fast wie in einem wissenschaftlichen Essay seinen Weg zum erfolgreichen Autor nüchtern und ohne jegliche Eitelkeit beschreibt.

In all seinen Erzählungen schlagen sich sowohl die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Weimarer Zeit als auch seine ganz persönlichen Probleme nieder. Damit entsteht in diesen Erzählungen das Panorama einer schwierigen und politisch wie wirtschaftlich instabilen Epoche, das so manche spätere Entwicklung nachvollziehbar macht. Für seine Schwierigkeiten macht Fallada dabei nie eine abstrakte Gesellschaft verantwortlich, sondern nimmt sie erst einmal als gegeben hin und sieht im Zweifelsfall sich selbst als Grund der Probleme. Das liest man jedoch nur zwischen den Zeilen, denn Selbstanklage und -mitleid sind seine Sache auch nicht.

Ulrich Noethen liest die Erzählungen mit viel Gespür für Falladas desillusionierte Nüchternheit, die jedwedem Pathos und Ideologien aller Art mit großer Skepsis begegnet. Ihm gelingt es dabei meisterlich, die innere Leere und Verzweiflung wiederzugeben, die Fallada schließlich in die Abhängigkeit von Drogen und Alkohol trieb.

Das Hörbuch ist bei Hörbuch Hamburg erschienen, umfasst 5 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 354 Minuten und kostet 20 Euro.

Frank Raudszus

 

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