Chris Kraus: „Sommerfrauen Winterfrauen“

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Der Roman erzählt die Gehversuche von Jonas Rosen, der gerne Filmregisseur werden möchte. Tatsächlich wird er bei Lila von Dornbusch angenommen, einem abgedrehten Professor an der Berliner Filmakademie. Die erste Aufgabe, die ihm Lila stellt, besteht darin, eine Sexszene mit seiner Freundin zu drehen. Die Kamera wird im Schlafzimmer aufgebaut, und dann geht´s zur Sache. Allerdings gesteht Jonas seiner Freundin Mah nach dem Sex, dass er die Kamera abgeschaltet hat und nun mit einem leeren Videoband bei seinem Professor erscheinen wird. Dieser residiert in einem Tittenthron und will dann die peinlichen Filme der Studenten gar nicht sehen. Das Filmen des „Vögelns“, so der Professor, sei nur eine Mutprobe gewesen.

Der Roman fängt verrückt an und geht verrückt weiter. Jonas wird nach New York geschickt, wo er mit fünf Kommilitonen alles für einen Dreh über Sex und Nazischergen vorbereiten soll. Sein Aufenthalt in New York entpuppt sich als immer absurder werdender amerikanischer Albtraum. Er kommt bei dem mit Lila befreundeten amerikanischen Professor Jeremiah unter. Die Wohnung des Professors liegt in einem sozialen Brennpunkt New Yorks, dem kriminellen Stadtteil Alphabet City. Jonas wird bei seiner Ankunft prompt von mehreren Jugendlichen überfallen. Endlich in der Wohnung angekommen, entpuppt sich diese als völlig versiffter Schweinestall, in dem die Haustiere – Hund und Katze – ihre Exkremente hinterlassen.

Jeremiah, der Professor, ist unglaublich dick und behäbig und verbringt den ganzen Tag auf einer Couch. Er lebt quasi im Slum – die Toilette wurde seit Jahren nicht mehr gereinigt. Jonas bemüht sich nach Kräften, mit der Wohnsituation zurechtzukommen. Er reinigt die Toilette, geht mit den Hunden „Gassi“ und versucht, dem Chaos eine Struktur zu geben.

Nebenbei trifft er seine Tante Paula. Sie ist eine bekannte Künstlerin, aber inzwischen eine alte Dame. Von ihr erfährt er, dass sein Großvater während der Nazi-Zeit ein SS-Killer war. Also wird er vielleicht doch einen Film über Nazis drehen? Nein, das will er auf keinen Fall. Da kommt ihm die Idee, einen Film über „Ohren“ zu drehen. Neben der Arbeit an diesem Film trifft er auf verschiedene junge Frauen, mit denen er sich auf kurze Beziehungen einlässt und in deren Probleme involviert wird.

Die Tagebucheinträge von „Kladde I“ bis „Kladde III“ dokumentieren Jonas´ verrückte 32 Tage während seines Aufenthalts in New York. Oft denkt man als Leser, dass einem die hier ausgedachten Filmszenen als Realität verkauft werden sollen, aber vielleicht ist das Leben in New York wirklich so abseits jeder Normalität, wie es hier dargestellt wird. Jonas wird in knapp fünf Wochen auf den Kopf gestellt, durcheinandergewirbelt und kommt fast dabei um. Doch schließlich steigt er wie Phoenix aus der Asche empor und weiß am Ende ein wenig besser, wo seine Reise hingehen soll.

Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 407 Seiten und kostet 24 Euro.

Frank Raudszus

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