Kurt Krömer: „Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will“

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Ein deutscher Komiker entdeckt Afghanistan

Kurt Krömer ist der Künstlername eines Enddreißigers, der im Leben bewusst die krummen Wege genommen hat. Als Neuköllner Gewächs hat er das Leben von der bodenständigen Seite her kennengelernt. Schon früh verweigerte er die Schule und anschließend verschiedene Lehrberuf und schlug sich mit verschiedensten Gelegenheitsjobs durchs Leben. Sein besondere Abneigung galt der Bundeswehr, und bei der Verweigerung des Wehrdienstes entwickelte er einige Kreativität, die auch schließlich zum Erfolg führte. Diese Kreativität setzte er auch bei seinen komischen Auftritten ein, so dass er – nach länger Tingelei durch drittklassige Hinterhof-Theater – schließlich zum gefragten Komiker mit einem ganz eigenen Stil wurde.

Ausgerechnet diesen eingefleischten Militärgegner lud die Bundeswehr zu einer Tournee durch die Lager in Afghanistan ein. Eher aus Verblüffung über diese einseitige „Symapthiekundgebung“ denn aus Überzeugung sagte Krömer zu. Schließlich erhält nicht jeder die Gelegenheit, dieses Land in der gegenwärtigen Situation kennenzulernen.
So kam Kurt Krömer eines Tages mit einer ganzen Filmcrew und einem Journalisten von der ZEIT in einem Bundeswehr-Airbus nach Kabul, wo er sofort mit Stahlhelm und Splitterschutzweste ausgestattet wurde. Ein seltsames Gefühl für einen überzeugten Wehrdienstverweiger, wie Krömer an dieser Stelle eingesteht. Dabei kriecht ihm doch langsam die Angst in den Kragen, denn nicht nur weiß er über die Gründe für diese Schutzmaßnahmen Bescheid, sondern überall sieht er Zeichen und hört er Berichte über Kämpfe und Selbstmordattentäter. Deutlich steht ihm die Möglichkeit vor Augen, selbst zum Opfer eines Anschlags zu werden.

Doch ihm geschieht während seines Aufenthalts nichts. Dank permanenter Bewachung gerät er gar nicht erst in die Nähe einere echten Gefahr und kann seine Komiker-Auftritte problemlos absolvieren. Nach anfänglichem Fremdeln akzeptieren ihn die Soldaten sogar und bitten ihn reichlich um Autogramme. Der Schock trifft ihn erst nach seiner Rückkehr nach Berlin, als er sich der Gefährlichkeit seines Ausflugs bewusst wird.

Krömer hätte in seinem Bericht seiner Antipathie gegenüber der Bundeswehr leicht Luft machen und aus der luftigen Höhe des abgeklärten Pazifisten mehr oder milden Spott über die Soldaten ausgießen können. Doch dieser Versuchung erliegt er an keiner Stelle. Stattdessen beschreibt er seine Kontaktpersonen bei der Truppe mit fast wohlwollender Neutralität und beschreibt sie als Menschen, die eine schwierige Aufgabe mit hohem Engagement bewältigen. Das heißt zwar nicht, dass er zum Bundeswehrfreund wird, aber es fällt angenehm auf, dass er nicht in billige Schwarzweiß-Muster verfällt. Die Leser gewinnen einen Eindruck vom Alltag der Bundeswehr in Afghanistan und können sich selbst eine Meinung bilden.

Die Reise hat  bei Krömer jedoch das Interesse an Afghanistan entscheidend gefördert. Da er den Kontakt zu Land und Leuten vermisste – er hat sich ausschließlich in Bundeswehr-Lagern und -Transportmitteln aufgehalten -, beschließt er, eine zweite Reise dorthin auf privater Ebene durchzuführen. Dank entsprechender Kontakte in Deutschland gelingt ihm dies, und nicht lange nach seiner Bundeswehr-Reise bricht er erneut nach Afghanistan auf. Dieses Mal erhält er eine Einladung zu einem Abendessen in einem privaten Haushalt, trifft einen hohen ehemaligen Politiker und darf sich sogar auf einem öffentlichen Markt bewegen. Doch trotz dieser Freiheiten reist die Angst immer mit, und private Sicherheitskräfte bewachen die kleine Truppe auf Schritt und Tritt. An einem Tag fährt man ihn und seine Filmcrew sogar zu einem riesigen Schrottplatz, auf dem die Amerikaner ihre defekte oder nicht mehr benötigte Ausrüstung entsorgen. Umweltsünden statt „Nation Building“.

Krömer lernt auf dieser Reise zwar afghanische Bürger kennen, aber die Treffen sind doch zu kurz, um daraus tiefere Erkenntnisse zu gewinnen oder Freundschaften zu entwickeln. Im Grunde genommen gehen diese kurzen Gespräche  über den Austausch von – wenn auch gut gemeinten – Allgemeinplätzen nicht hinaus.

Das gilt im Übrigen für das ganze Buch. Der Leser erfährt hier nichts Neues über das hinaus, was Presse und andere Medien tagein, tagaus über Afghanistan berichten. Krämers Bericht ist insofern nur eine Ergänzung und Bestätigung der generellen Berichterstattung. Zeitweise, so bei einem Gespräch über die „Tanklaster-Tragödie“ des Oberst Klein, verfällt er sogar in holzschnittartige Meinungsäußerungen. Es ist zwar sein gutes Recht – und das seines afghanischen Gesprächspartners -, zu diesem Thema eine eigene Meinung zu haben, doch hätte man sich gewünscht, dass er dabei den allgemeinen Erkenntnisstand berücksichtigt hätte.

Das Buch ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch unter der ISBN 978-3-462-04536-9 erschienen, umfasst 187 Seiten und kostet 9,99 €.

Frank Raudszus

 

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