Graphische Juwelen aus dem Archiv

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Das Städel zeigt in der Ausstellung „Von Raffael bis Tizian“ ausgewählte Graphiken der eigenen Sammlung.

Das Frankfurter Städel-Museum verfügt über eine umfangreiche Graphik-Sammlung, in der die italienische Renaissance einen Schwerpunkt bildet. Da graphische Arbeiten sehr lichtempfindlich sind, können sie nicht dauerhaft präsentiert werden. Deshalb wählt die Städel-Leitung von Zeit zu Zeit gewisse Werke aus, die sie der Öffentlichkeit unter einem bestimmten Motto für eine begrenzte Zeit in dem abgedunkelten Ausstellungsraum für Graphiken zugänglich macht.

Correggio: "Sitzender Prophet mit Buch"

Correggio: „Sitzender Prophet mit Buch“

In den letzten Jahren lief ein von der „Gabriele Busch-Hauck“-Stiftung finanziertes Forschungsprojekt, das eine genaue Erforschung, Zuordnung und Bewertung der italienischen Graphiken aus dem 15. und 16. Jahrhundert zum Gegenstand hatte. Als Ergebnis dieses Projekts entstand die Ausstellung „Von Raffael bis Tizian“, die rund 90 der insgesamt 450 graphischen Blättern dieser Periode zeigt.

Kurator Dr. Joachim Jacoby ging es bei dieser Ausstellung darum, zu zeigen, wie sich aus den eher plakativen Darstellungstechniken des Mittelalters die perspektischen, räumlichen und körperlichen Aspekte der Renaissance entwickelten. Dabei war der Übergang aus dem Mittelalter durchaus gleitend und enthielt viele Überschneidungen. auch innerhalb der Renaissance gab es keine abrupten Änderungen, sondern eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Techniken und Bildkompositionen. Einen besonderen Reiz der Zeichnungen sieht Jaboby darin, dass sie oft die ersten Ideen eines Künstlers zu neuen, größeren Werken enthalten und sozusagen den Prozess der Werkentstehung „in statu nascendi“ zeigen. Die Ausstellung beschränkt sich auf den Zeitraum von 1430 bis 1600 und ist in vier chronologisch angeordnete Bereiche eingeteilt.

Parmigianino: "Bärtiger Männerkopf"

Parmigianino: „Bärtiger Männerkopf“

Die erste Abteilung enthält seltene Grafiken aus dem 15. Jahrhundert von 1430 bis 1500, unter anderen eine Abbildung von vier gotischen Statuen, die trotz ihrer statischen Anordnung schon deutlich die Körperlichkeit und Realitätsnähe der Renaissance zeigen. Künstler wie Pisanello oder Marco Zoppe prägen diese Zeit.

In der zweiten Abteilung geht es um die Hochrenaissance, die man heute auf die kurze Zeitspanne zwischen 1500 und 1525 datiert und die einen Umbruch des künstlerischen Denkens brachte. Künstler wie Fra Bartolommeo, Raffael, Michelangelo, Correggio und Tizian reichen sich hier sozusagen die Hände. Michelangelos „Groteske Köpfe“ finden sich ebenso in der Ausstellung wie Raffaels Entwurf zur „Disputa“ oder Correggios „Sitzender Prophet mit Buch“. In diesen Zeichnungen zeigen die Portraits weit mehr physische und psychische Details, die Figurenanordnungen werden vielfältiger und komplexer, und abgestufte Schraffuren sowie Aufhellungen bringen die Wirkung von Licht und Schatten wesentlich stärker zur Geltung.

Tizian: Studie zu einem Altargemälde

Tizian: Studie zu einem Altargemälde

Die letzten beiden Abteilungen sind zwar auch aus dem 16. Jahrhundert, folgen also der chronologischen Anordnung, betonen jedoch vornehmlich geographische Aspekte. Eine Abteilung zeigt vor allem Zeichnungen von Künstlern aus Mittelitalien – von Florenz bis Rom -, die andere konzentriert sich dagegen auf die nördlichen Gebiete zwischen Genua und Venedig. Namen wie Parmigiano (aus Parma) oder Tintoretto (Venedig) spielen hier neben vielen anderen, heute weniger bekannten Künstlern eine Rolle.

Für Liebhaber der graphischen Kunst bietet diese Ausstellung eine Fundgrube von künstlerischen Eindrücken der Renaissance. Neben dem rein künstlerischen darf man den informativen Wert dieser Zeichnungen nicht unterschätzen. In den Zeiten vor oder kurz nach der Erfindung des (Buch-)Drucks und vor allem vor der Photographie waren Zeichnungen die einzigen Informationsträger des Lebensalltags. Gemälde hatten dagegen wegen des hohen Aufwands eher eine überhöhende Aussage, während die graphische Skizze oft den Eindruck des Augenblicks wiedergibt. Man steigt über viele dieser Zeichnungen unvermutet in Alltag und die Befindlichkeit der Menschen dieser Zeit ein, und das ist tatsächlich eine spannende Erfahrung.

Die Ausstellung ist vom 8. Oktober 2014 bis zum 11. Januar 2015 dienstags, mittwochs sowie samstags und sonntags von 10 bis 10 Uhr und donnerstags sowie freitags von 10 bis 21 Uhr geöffnet. Weitere Informationen über die Webseite des Städel-Museums.

Frank Raudszus

 

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