„German Pop“ – ein Widerspruch in sich?

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Die Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt in der Ausstellung „German Pop“ die kurze Phase der deutschen Pop-Kunst.

Rolf Vostell: "Dutschke 1968"

Rolf Vostell: „Dutschke 1968“

Die „Pop Art“, Kurzwort für „popular art“, entstand Ende der fünfziger Jahre in Großbritannien und fand dann schnell ein derart starkes Echo in den USA, dass diese heute in der breiten Öffentlichkeit als Ursprungsort dieser neuen Kunstgattung gelten. Namen wie Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Robert Rauschenberg prägen bis heute eine Kunst, die sich ihre Vorlagen aus Motiven und Gegenständen des Alltags und der Werbung holte und mit Vorliebe auf eine serielle Verarbeitung setzte. Man kennt Andy Warhols farbmultiple Gesichter der Marylin Monroe oder die Serie von Kennedys Ermordung.

Die angelsächsische POP Art war von einer gewissen Leichtigkeit und gewann ihren Gegenständen so überraschende wie schillernde Aspekte ab. Auch der gesellschaftliche Glamour – Prominente aus Politik und Kultur – weckte eher Faszination als politische Kritik. Diese Leichtigkeit war nicht unbedingt kompatibel mit der deutschen Wesensart, die überdies durch die Katastrophe des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs endgültig ihre Unschuld verloren hatte. Die deutschen Künstler betrachteten daher die neue Kunstströmung mit einer gewissen Skepsis und näherten sich ihr eher aus einer kritischen Richtung. Allerdings erkannten sie schnell die Möglichkeiten der subversiven Kritik, die in einer scheinbar naiven „Comic“-Kunst lagen. Der strenge Kult um Stilrichtungen und „Schulen“ behagte vielen Künstlern nicht – in gewisser Weise eine moderne Paralle zu der Revolte gegen den „Akademismus“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts. So nahmen ab Mitte der sechziger Jahre auch verschiedene deutsche Künstler den POP-Faden auf und spannen ihn auf ihre eigene Weise weiter. Die deutsche Version der POP Art, für die Gerhard Richter in den 60er Jahren spontan den Begriff „German Pop“ erfand, erlebte jedoch nur eine kurze Blütezeit bis zum Ende der sechziger Jahre. Dann führten Studentenrevolte und Vietnam-Proteste zu einem scharfen Paradigmenwechsel in der Kunst, die sich fortan politisch verstand und Pop als irrelevante Spielerei ächtete.

Christa Dichgans: "Stillleben mit Frosch"

Christa Dichgans: „Stillleben mit Frosch“

Der „German Pop“ entwickelte sich ab 1963 in vier Großstädten, in denen einerseits eine „kritische Masse“ für eine entsprechende Wirkung vorhanden war und die andererseits durch ihre beginnende Internationalität überhaupt erst eine Resonanzbasis darstellten. Düsseldorf spielte den Vorreiter, weil hier aufgrund des „rheinischen Kapitalismus“ – Kohle und Stahl – viel Geld auch für künstlerische Aktivitäten zur Verfügung stand. Gerhard Richter, dem man heute nicht unbedingt eine Pop-Vergangenheit zutrauen würde, hob zusammen mit Manfred Kuttner, Konrad Lueg und Sigmar Polke den „German Pop“ aus der Taufe, wobei die erste Ausstellung wegen der fehlenden Akzeptanz der Galerien und anderer künstlerischer Institutionen in einer ehemaligen Metzgerei stattfand.

Von Düsseldorf strahlte „German Pop“ nach Berlin aus, das damals für viele alternative Künstler aus den verschiedensten Gründen einen „Fluchtpunkt“ darstellte und damit langsam aus seiner kulturellen Behäbigkeit erwachte. Künstler wie Rolf Vostell und KP Brehmer fanden in progressiven Galerien und programmatischen Ausstellungen – etwa „Neodata, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus“ – eine Plattform für ihre Pop-Versuche.

Gerhard Richter: "Portrait von Frau Dr. Knobloch"

Gerhard Richter: „Portrait von Frau Dr. Knobloch“

Auch Frankfurt a. M., eigentlich eher eine nüchterne Bankenstadt, schloss sich bald dem Kreis der Pop-Hochburgen an. Hier spielte wohl die Präsenz der US-Hauptquartiere und -Truppen – man denke nur an Elvis Presley in Friedberg – eine wichtige Rolle für die Affinität zum Pop. Thomas Bayrle und Peter Röhr betonten hier vor allem den gesellschaftskritischen Aspekts der Pop-Art, indem sie die Werbung für Haushalts- und Alltagsgeräte persiflierten und damit das ihrer Meinung nach spießbürgerliche Nachkriegsdeutschland kritisierten.

München war einerseits ein erzkonservatives bayerisches Millionendorf, andererseits stets ein Magnet für Künstler. Man denke nur an die Münchner Künstlerkreise vor dem Ersten Weltkrieg. So nimmt es nicht Wunder, dass sich auch hier der „German Pop“ auf eine ganz eigene Weise ausbreitete. Zu nennen sind hier neben Lothar Fischer und Heimrad Prem vor allem Michael Langer und vor allem Uwe Lausen, der vor Jahren Gegenstand einer großen Schirn-Ausstellung war.

Der „German Pop“ unterscheidet sich von seinen angelsächsischen Vorbildern vor allem durch seine gezielte Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse sowie durch eine breitere Grauzone zur „herkömmlichen“ Kunst. So mutet Gerhard Richters Portrait von Königin Elisabeth weniger wie Pop Art denn wie eine künstlerische Verfremdung an, und Ähnliches gilt für sein serielles Bild der Ärztin Dr. Knobloch. Richter ist ein besonders deutliches Beispiel dafür, dass ein Künstler sich eher mit seinen ureigensten Techniken – bei ihm eben die bewusst verschwommenen Konturen – sich auf eher leisen Sohlen dem Pop nähert.

Die Ausstellung ist vom 6. November 2014 bis zum 8. Februar 2015 geöffnet. Weitere Informationen auf der Webseite der Kunsthalle Schirn.

Frank Raudszus

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