Bert te Wildt: „Digital Junkies“

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Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder.

Suchtkrankheiten sind seit langem ein Thema der Medizin. Mit Alkohol begann es, dann kamen Nikotin, Kokain, Heroin und schließlich synthetische Drogen. Eher spaßeshalber sprach man vor dreißig Jahren von einer Fernsehsucht, übrigens nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Aus dieser Fernsehsucht ist ein viel gefährlicherer Nachfolger entstanden, die heute vor allem unter Jugendlichen weit verbreitete „Internet-Sucht“. Doch lässt sich dieses Phänomen nicht mehr frozzelnd bekämpfen, so, wie es unsere Eltern noch taten. Zu weit sind internetfähige Geräte heute verbreitet, und während die Eltern vor drei Dekaden noch den Fernseher mit einfachen Mitteln deaktivieren konnten, ist dies heute mit den Internet-Zugängen nicht mehr möglich. Erstens besitzt heute nahezu jede(r) Jugendliche ein entsprechendes Gerät (meist von den Eltern bezahlt!), und zweitens verfügen die meisten Eltern schlicht nicht über die Kenntnisse und den Willen(!), den Internet-Konsum zu regulieren.

1509_digital_junkiesDer Autor dieses Buches ist Mediziner und setzt sich hauptberuflich mit der Mediensucht – sprich: Internetsucht – von Jugendlichen und Erwachsenen auseinander. Seine entsprechenden Erfahrungen während der letzten Jahre haben ihn alarmiert und schließlich motiviert, dieses Buch – in erster Linie als Ratgeber für Eltern – zu verfassen.

Nach einer kurzen historischen Einführung in das Thema und die Enstehungsgeschichte des Begriffs „Internetsucht“ kommt te Wildt auf die einzelnen Erscheinungen dieser Sucht zu sprechen: im wesentlichen Spiele und Sex. In beiden Fällen diagnostiziert er vermeintlich oder tatsächlich unerfüllte Bedürfnisse, die dann – scheinbar! – umso einfacher in der virtuellen Welt erfüllt werden. Auch die sozialen Medien – Facebook! –  fallen für ihn unter diese Rubrik, da hier soziale Kontaktprobleme wiederum im virtuellen Raum gelöst werden sollen. Dass hier der wichtige direkte, menschliche Kontakt nie zustande kommt und deswegen das Mangelgefühl eher verstärkt wird, wird zwar gefühlt, aber mangels Reflexion durch vermehrte Online-Kontakte kompensiert. Ein Teufelskreis, der zwangsläufig in die Sucht führt.

Bevor te Wildt auf Behandlungsmethoden der Internetsucht eingeht, schildert er einen typischen Fall eines Spielsüchtigen, der sämtliche sozialen Kontakte abgebrochen hatte, von Hartz IV lebte und sich mit einer Kürzung der Unterstützungsleistungen konfrontiert sah. Der Autor schildert die langwierige Therapiegeschichte dieses jungen Mannes mit vielen Rückfällen und Schwierigkeiten. Allein diese Geschichte hat bereits Abschreckungscharakter – doch die Betroffenen werden dieses Buch wahrscheinlich leider nicht lesen.

Um diese problematische und  nicht immer erfolgreiche Therapie eines Internetsüchtigen möglichst zu vermeiden, setzt te Wildt auf Prävention, und dort nimmt er hauptsächlich die Eltern in die Pflicht, weil der Medienkonsum hauptsächlich von der familiären Situation abhängt. Eindringlich redet er Eltern und Großeltern ins Gewissen und erinnert sie an ihre Pflicht, nicht ohne ganz praktische Maßnahmen zur Kontrolle des Medienkonsums vorzuschlagen. Bei all diesen Vorschlägen vergisst er nie zu betonen, dass der Vorbildcharakter der Eltern und Verwandten eine zentrale Rolle spielt.

Dieses Buch sei allen Eltern von Kindern zwischen fünf und zwanzig Jahren ans Herz gelegt. So manche(r) glaubt, seine Kinder in dieser Hinsicht „im Griff“ zu haben, und steht dann plötzlich vor einem Desaster. Mit diesem Buch lässt sich die Entwicklung – bis zu einem gewissen Grad – steuern und stabilisieren.

Das Buch „Digital Junkies“ ist im Droemer-Verlag erschienen, umfasst 384 Seiten und kostet 19,99 Euro.

Frank Raudszus

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