György Dragoman: „Der Scheiterhaufen“

Print Friendly, PDF & Email

Roman aus dem Rumänien der „Securitate“

Emma lebt seit einem halben Jahr im Internat. Sie ist dreizehn Jahre alt und Waise. Ihre Eltern sind angeblich bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Da wird sie eines Tages ins Zimmer der Direktorin gerufen und trifft dort auf zum ersten Mal auf ihre Großmutter. Die alte Dame ist ihr völlig fremd. Sie ist angeblich die Mutter ihrer Mutter. Emma glaubt das nicht, denn ihre Mutter hat nie von den Großeltern erwähnt, sondern stets behauptet, selbst Waise gewesen zu sein. Doch die Alte besteht sehr bestimmt darauf, dass Emma ihre Enkeltochter sei. Sie sei für sie ein Geschenk des Schicksals, denn nach dem Tod des Großvaters sei ihr niemand mehr geblieben.

1510_scheiterhaufenEmma kann das alles nicht glauben. Da lässt sie ihre angebliche Großmutter in den Kaffeesatz ihrer Tasse schauen, und nacheinander zeichnen sich erst Emmas Gesicht, dann das ihrer Mutter und schließlich das der Großmutter ab. Was hier symbolisch aus demKaffeesatz interpretiert wird, weist auf Emmas Familiengeschichte der letzten beiden Generationen hin. Es ist Emmas persönliches Trauma, das so grausam beginnt und dem sich noch viele Traumata ihrer Familie hinzugesellen werden.

Während sich die emotional völlig verhärtete Großmutter gegenüber der Enkeltochter immer mehr öffnet,muss das junge Mädchen in einer Welt aus Hass und Vorurteilen ihren eigenen Weg finden. Sie entwickelt zeichnerische Fähigkeiten,die sie von ihrem Vater – einem Künstler – geerbt hat. Sie ist eine begabte Sportlerin mit einem besonderem Talent im Geländelauf – ein Erbe ihrer Mutter. Von ihrer Großmutter erfährt sie, was Denunziation und politische Verfolgung mit Menschen anrichten können und welch große Schuld der Großmutter als jungem Mädchen aufgeladen wurde, an der sie ein Leben lang zu tragen hat. Emmas gewinnt durch all diese Erfahrungen Kraft und Gerechtigkeitssinn, so dass es ihr am Ende sogar gelingt, die Großmutter zu erlösen.

György Dragoman berichtet in einer akribischen Erzähltechnik, die kleinste Details aufführt und den Leser in eine Beobachterrolle zwingt, wie sie der Protagonistin Emma widerfährt. Daneben setzt er magisch-phantastische Erzählstränge, die das Emotionale traumatischer Erfahrungen verdeutlicht.

Das Buch ist im Suhrkamp-Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro.

Barbara Raudszus

, ,

No comments yet.

Schreibe einen Kommentar