
Fiebriger Verfall der Wohlanständigkeit
Das Staatstheater Wiesbaden gastiert in Darmstadt mit Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“. Sieht man ein Stück zum zweiten Mal auf einer anderen Bühne, mit anderen Darstellern und anderem Bühnenbild, so ergibt sich die reizvolle Gelegenheit des direkten Vergleichs. Gleichzeitig erübrigt sich für den Rezensenten die Darstellung der Handlung, wenn die erste Rezension noch verfügbar […]

Benjamin Libet: „Mind Time – Wie das Gehirn Bewusstsein produziert“
Der freie Wille des Einzelnen und damit seine Verantwortung für sein Leben und seine Handlungen sind Eckpfeiler der westlichen Philosophie, spätestens seit der Reformation. Daran haben auch extreme Materialisten nichts ändern können, die aus den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Neuzeit auf einen Determinismus auch in gesellschaftlichen und ethischen Fragen schlossen. Die überwältigende Meinung war lange – […]
Koloraturen, Komik, Klamauk, Klamotte – und einfach erheiternd
Kündigt man in einschlägigen Kreisen an, man gehe in eine Operetten-Premiere, so kräuseln sich die Lippen im besten Fall zu einem leicht herablassenden Lächeln, das noch deutlicher als im Musical-Fall ausfällt. Weist letzteres bei aller – unterstellten – Seichtheit noch den Vorteil einer größeren musikalischen Aktualität auf, so leidet die Operette unter dem hoffnungslosen Verdikt […]

Gegen den Trend: am Wahltag scheitert die Frau
Das Staatstheater Darmstadt eröffnet die Opernsaison mit Janáčeks „Katja Kabanowa“. Intuitiv möchte man meinen, die Oper habe nichts mit Politik zu tun, um im zweiten Schritt festzustellen, dass es nichts Unpolitisches im Leben gibt. Daher erscheint die einem Kulturpuristen unzulässige Beziehung zwischen hehren kulturellen Ereignissen und schnöder Tagespolitik durchaus gerechtfertigt. Wir wagen also daher die […]
Martin Bojowald: „Zurück vor den Urknall“
Ein neuer Ansatz für den Ursprung des Universums. Seit Jahrhunderten haben Wissenschaftler und Philosophen versucht, Wesen und Ursprung des Universums zu erkunden. Nachdem das lange von der Kirche verteidigte geozentrische Weltbild schließlich endgültig ad acta gelegt war, konnte man sich ungestört der Erforschung der tatsächlichen Verhältnisse widmen. Anfang des letzten Jahrhunderts sorgte dann Albert Einstein […]
Philipp Blom: „Der taumelnde Kontinent“
Eine ganzheitliche Beleuchtung der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg aus einer „à priori“-Sicht. Wir alle wissen, was sich im Sommer des Jahres 1914 ereignete und welche katastrophalen Folgen sich daraus bis zum Ende des Jahrhunderts ergaben. Dieses Wissen verführt leicht dazu, die Zeit davor hauptsächlich durch die „à posteriori“-Brille des Wissende zu betrachten und alles […]

Das Blut des (Geschlechter-)Krieges
Eines der drei Rätsel der eiskalten Prinzessin Turandot an ihre todessüchtigen Verehrer beschreibt ein „Etwas“, das beim Vergehen erkaltet. Keiner der bisherigen – und bereits unfreiwillig verstorbenen – Bewerber um die Hand der Prinzessin hat diesen Gegenstand erraten, nur Prinz Calaf erkennt in dieser verbalen Verkleidung richtig das Blut. Bereits im ersten Rätsel, das nach […]

Die bedrohliche Ästhetik der Maschinen
Seit Stefan Toss beim Staatstheater Wiesbaden die Leitung der Tanztruppe übernommen hat, ist eine konsequente Modernisierung der Choreografien in Richtung des heute üblichen TanzTheaters festzustellen. Fast könnte man nach den Unruhen des Personalwechsels feststellen: „Das Ballett ist tot, es lebe das Ballett“. Denn mit seinen Choreografien hat Stefan Toss sich schnell den Ruf erworben, einerseits […]
Die Hölle – das sind die Anderen
Hätte Molière seinen posthumen Landsmann Sartre gekannt, so hätte er dessen Ausspruch über das Wesen der Hölle sicher aus ganzem Herzen zugestimmt. Jedenfalls ist das seiner sogenannten Komödie „Der Menschenfeind“ zu entnehmen, die sich so gar nicht komödiantisch gibt, sofern man die landläufige Auffassung dieser Theatergattung heranzieht. Zu lachen gibt es in diesem Stück im […]

Metamorphose eines Klassikers
Christof Loy inszeniert in Frankfurt Mozarts „Cosi fan tutte“ als Tragikomödie. Eine Szene im zweiten Akt wird durch eine kleine Nebenhandlung zur Schlüsselszene der ganzen Inszenierung. Nachdem Guglielmo Dorabello endlich „rumgekriegt“ hat, und während sich Fiordiligi in einer langen Arie ihre Gewissensnot ob der drohenden Verführung durch Ferrando von der Seele singt, lehnt Dorabella seelisch […]