Die Weihnachtsgeschichte in Bildern und Skulpturen

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Heilige Nacht: Wiener Meister um 1490

Heilige Nacht: Wiener Meister um 1490

Ursprünglich hatte Kurator Stefan Roller nach der großen Ausstellung über Athen  in diesem Jahr nur noch eine kleine Ausstellung mit hauseigenen Exponaten zum Thema „Weihnachten“ geplant. Aber nachdem er sich einmal etwas intensiver mit dem Thema beschäftigt hatte, packte ihn der wissenschaftliche Furor, und jede neue Erkenntnis führte zu einer weiteren Leihgabe eines bekannten Museums oder einer kirchlichen Institution. Diese unerwarteten Erkenntnisse ergaben sich fast zwangsläufig aus der genauen Betrachtung der verfügbaren Bilder und Skulpturen, die in der bekannten Weihnachtsgeschichte des Lukas-Evangeliums („Es begab sich aber zu der Zeit…“) nicht erwähnte Details in Hülle und Fülle enthielten. Die Deutung dieser Details führte zu weiteren Erkenntnissen und zu neuen Leihgaben, so dass die  Ausstellung erst am letzten Tage vor der Eröffnung unter großem Stress fertiggestellt  werden konnte. Nachdem Philipp Demandt seine ersten Begrüßungsworte als neuer Direktor der drei wichtigsten Frankfurter Ausstellungsinstitutionen – Schirn, Städel, Liebieghaus – gesprochen hatte, berichtete Stefan Roller mit lebhaften Worten von Entstehung und Gehalt dieser Ausstellung mit dem Titel „Heilige Nacht – Die Weihnachtsgeschichte und ihre Bilderwelt“.

Marienaltar um 1350

Marienaltar um 1350

Jeder Besucher verbindet mit der Weihnachtsgeschichte die eigenen Erinnerungen an die Kindheit. Dabei kennen die meisten nur die komprimierte Geschichte, wie sie an Heiligabend in der Kirche vorgetragen wird. Dieser Ausstellung geht es jedoch um die „Zutaten“ der Weihnachtsgeschichte, die im Text fehlen, aber sich aufgrund der volkstümlichen Legenden gehalten und ihren Niederschlag in den einzelnen Kunstwerken gefunden haben. Dazu muss man wissen, dass es in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung eine Reihe von „apokryphen“ Geschichten – zum Beispiel von Jacobus – über Christi Geburt gab, die jedoch aus den verschiedensten Gründen keinen Eingang in die offizielle Bibelversion der damals noch allmächtigen Kirche fanden. Das beginnt bereits mit der Verkündigung an Maria, der die Engel damals explizit erklären mussten, wie das mit dem „Heiligen Geist“ funktioniert, denn angeblich hat sie sich aus nahe liegenden biologischen Gründen sehr skeptisch über die angekündigte Schwangerschaft geäußert. Dass der Vatikan diese Diskussion nicht in der Bibel lesen wollte, versteht sich von selbst. Dasselbe gilt für Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, die ebenfalls eine entsprechende Erklärung benötigte. Auch Josephs Rolle beschrieben einige Chronisten sehr viel realistischer als die Bibel und wiesen daraufhin, dass er über Marias Schwangerschaft nach seiner langen Abwesenheit ziemlich verärgert gewesen sei. Auch hier mussten ihm die Engel erst einen erklärenden Traum schicken.

Meister Tucheraltar: Beschneidung Christi

Meister Tucheraltar: Beschneidung Christi

Dass die Skulpturen der schwangeren Maria in vielen Nonnenklostern nicht nur die entsprechende Bauchwölbung, sondern sogar kleine Fenster im Bauch und dahinter das sichtbare Kind aufwiesen, ist heute auch nur noch Fachleuten bekannt. Die Nonnen kompensierten anhand dieser Skulpturen ihre anderweitig nicht erfüllbaren mütterlichen Bedürfnisse und wiegten zu Weihnachten sogar die kleinen Jesus-Figuren. Krippendarstellungen und figurative Altare über Christi Geburt enthielten daher oft herausnehmbare Figuren, die zu Weihnachten dann anderweitig verehrt werden konnten.

Die Heiligen Drei Könige sind ein weiterer Topos, der seine Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte geändert hat. Ursprünglich waren es Gelehrte, die erst später in einem längeren Prozess zu Königen mutierten. Auch die Tiere, auf denen sie geritten kamen, folgen unterschiedlichen Quellen, und an den Darstellungen lässt sich dann ablesen, welche Textquelle gerade aktuell waren. Da erscheinen die drei Herren dann plötzlich auf Kamelen statt auf Dromedaren. Dass die drei Könige nach ihrem Besuch bei der Heiligen Familie – auf Geheiß der Engel! –  ohne weiteren Besuch bei Herodes abreisten, führte zu dessen bekanntem Massaker an allen neugeborenen Jungen in und um Betlehem. Die bildlichen Darstellungen zeigen dieses Abschlachten mehr als deutlich, was ein Licht auf die Reizschwelle früherer Epochen gegenüber Grausamkeiten wirft.

Neapolitanische Krippe, 2. Hälfte 18. Jahrhundert

Neapolitanische Krippe, 2. Hälfte 18. Jahrhundert

Der Höhepunkt – im wahrsten Sinne des Wortes – dieser Ausstellung sind die zwei großen Krippen im oberen Stockwerk mit jeweils einem breiten Spektrum aus Szenen und Figuren der Weihnachtsgeschichte. Aus Neapel stammt eine Krippe mit einer Vielzahl äußerst lebensecht gestalteter Figuren – Menschen, Tiere, Gebäude -, die sich vor allem durch ihre historisch realistische Darstellung – allerdings des 18. Jahrhunderts – auszeichnen. Die andere stammt aus Tirol und besteht aus Papierfiguren, wie man sie für Papiertheater anfertigt. Auch hier sind alle Szenen der Weihnachtsgeschichte nachgestellt. Besonders Kindern bieten diese beiden Krippen eine Vielzahl von Eindrücken und Entdeckungen, aber auch Erwachsene haben ihre Freude daran.

Ein Weihnachtsmarkt unter dem Namen „Weihnachtszauber“ vom 8. bis 11. Dezember im Garten des Liebieg-Hauses wird diese Ausstellung jahreszeitgerecht abrunden. Man kann nur hoffen, dass zu dieser Zeit vorweihnachtliches Wetter mit knirschendem Schnee und trockener Kälte herrscht, denn nur so macht ein Weihnachtsmarkt Spaß – auch im Museum.

Die Ausstellung ist vom 12. Oktober bis zum 29. Januar 2017 geöffnet. Näheres ist über die Webseite des Liebieg-Hauses zu erfahren.

Frank Raudszus

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