Realität des Ehekriegs und Symbolik der Geschwisterliebe

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Das Staatstheater Darmstadt setzt Richard Wagners „Ring der Nibelungen“ mit der „Walküre“ fort.

Wenn sich nach dem wie gestochen und mit fast kammermusikalischer Verve vorgetragenen Vorspiel der Vorhang hebt, verweist am rechten Bühnenrand die berühmte Einsteinformel zurück auf den Vorabend des „Rheingolds“, grad, als habe man vergessen, nach der Premiere das Menetekel aus Kreide wegzuwischen.

Christian Elsner (Siegmund), Susanne Serfling (Sieglinde)

Christian Elsner (Siegmund), Susanne Serfling (Sieglinde)

Das Bühnenbild von Heinz Balthes erstaunt und enttäuscht im ersten Augenblick. Eine altdeutsche Wohnstube aus Wagners Zeit mit schweren braunen Eichenschränken und behäbigen, dunklen Sitzmöbeln bildet eine vermeintlich gemütliche Insel inmitten raumhoher Stelen mit felsartiger Oberfläche. Schwarze Statuen von Helden und Heiligen schmücken das Vertiko. Erst der weitere Verlauf der Inszenierung entschlüsselt den Sinn dieser scheinbar biederen Ausstattung: sie bleibt über zwei Aufzüge nahezu ungeändert – abgesehen von der Kampfszene am Ende des zweiten Aufzuges – und stellt damit sowohl Hundings Haus wie auch Wotans Wohnung dar. Die Vermeidung jeglicher spezifischer Verweise auf die jeweiligen Personen zeigt, dass die Bühnenausstattung eher einen bestimmten Zeitgeist denn die typische Umgebung der Handlung widerspiegelt. In diesem Falle ist es offensichtlich das 19. Jahrhundert mit der scheinbar „heilen Welt“ einer hierarchisch und patriarchalisch organisierten Gesellschaft, in der die Frauen nur für Herd und Heim zuständig sind.

In Hundings Heim ist dies der Fall. Der Hausherr regiert mit harter Hand. Nicht umsonst lässt Kostümbildner José-Manuel Vázquez ihn in der Uniform eines Polizisten mit Helm, Schild und kugelsicherer Weste auftreten, der gerade von der Bekämpfung einer Demonstration kommt. So belauert er den fremden Mann, der sich erschöpft in sein Haus gerettet hat, bereits misstrauisch, als er noch nicht weiß, dass es sich um seinen Erzfeind Siegmund handelt. Folgerichtig kommt es nach dessen unfreiwilliger „Selbstentlarvung“ zu einem Ausbruch von Hass- und Rachegefühlen. Ähnliches gilt für die Szene zwischen Wotan und Fricka im zweiten Aufzug, die konsequent nicht nur von den gleichen Darstellern wie im „Rheingold“ gesungen werden, sondern auch im nahezu identischen Kostüm auftreten. Die Kontinuität ist bis zu Wotans schwarzer Augenklappe gewahrt. Auch im Hause Wotan gilt – noch – das Weisungsrecht des Hausherrn, doch dieses beginnt bereits heftig zu wanken. Die Zeiten ändern sich, die Emanzipation der Diskriminierten – hier die Frauen – bricht sich unaufhaltsam Bahn, und so ergibt der Szenenwechseln im dritten Aufzug – wir kommen darauf zurück – durchaus Sinn.

Christian Elsner (Siegmund), Susanne Serfling (Sieglinde), John In Eichen (Hunding)

Christian Elsner (Siegmund), Susanne Serfling (Sieglinde), John In Eichen (Hunding)

Ein wesentliches Element in Wagners „Ring“ stellt die Geschwisterliebe von Siegmund und Sieglinde dar. Die beiden wurden als Kinder auseinandergerissen uns sehen sich erst in Hundings Haus wieder. Ihre spontane Liebe wird durch die spätere Erkenntnis der Zwillingsverwandschaft in keiner Weise beeinträchtigt, ja, sie zeugen sogar gemeinsam ein Kind. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie Richard Wagner ein solch brisantes Thema im 19. Jahrhundert auf die Bühne bringen konnte. Sicherlich war es kein sozialpolitischer Protest gegen die vermeintliche Engstirnigkeit und Prüderie der Gesellschaft. Die Geschwisterliebe mit Siegfried als ihrer Frucht lässt sich nur als Analogie verstehen. Für Wagner waren Literatur und Musik zwei Zwillingsgeschwister, die ohne einander nicht leben können. Er selber sah sich weniger als Musiker denn als Literat, in weitestem Sinne als „Universalkünstler“. und nur ein solcher kann die von der kulturellen Entwicklung auseinandergerissenen Zwillingskünste wieder zusammenführen. Das Ergebnis dieser (Wieder-)Vereinigung, im „Ring“ Siegfried, ist dann Wagners Werk.

Diese Sicht unterstützt auch eine kurze Passage aus dem Streit zwischen Wotan und Fricka im zweiten Aufzug. Wenn Fricka ihrem Mann seine bewusste Unterstützung der sündigen Geschwisterliebe vorwirft und ihn rhetorisch fragt, wann man jemals „leibliche Geschwisterliebe“ erlebt habe, kontert er nicht nur trocken mit der Bemerkung „Heut hast du’s erlebt!“ und dem Gegenvorwurf einer zu engen, sprich kleinbürgerlichen Weltsicht („Nichts lerntest du, Wollt ich dich lehren, Was nie du erkennen kannst“) , sondern führt auch explizit aus, dass er das Neue, Unerhörte fördert. Der Ausspruch „Was noch nie sich traf, Danach trachtet mein Sinn“ beschreibt exakt Wagners Kunstauffassung mit dem allumfassende Musikdrama als Ziel. Dabei muss man auch scheinbar eherne Traditionen über den Haufen werfen können.

Ralf Lukas (Wotan), Gundula Hintz (Fricka)

Ralf Lukas (Wotan), Gundula Hintz (Fricka)

Der Ehestreit zwischen Wotan und Fricka ist einer der Kernszenen der „Walküre“, stoßen hier doch nicht nur die Weltsichten von Mann und Frau in nackter Direktheit aufeinander, sondern ganze Denktraditionen: konservatives Beharren auf dem Hergebrachten gegen die Neugier auf Neues, die Akzeptanz der transzendenten Macht gegen die Behauptung des freien Willens. Sieht man einmal von Wagners Alliterationswut ab, die übrigens musikalisch durchaus Vorteile aufweist, so zeigt diese Szene literarische Qualitäten, die an das zeitgenössische Beziehungstheater à la „Der Gott des Gemetzels“ heranreichen. Man sollte sich diese Szene einmal ohne die Begleitmusik durchlesen, um sich die Details der Argumentation beider Kontrahenten zu vergegenwärtigen. Da kommt Frickas glasklare psychologische Sicht erst richtig zur Geltung, die Wotans Winkelzüge und Ausflüchte bereits ahnt, bevor er sie im Stillen für sich formuliert hat. Sie stößt nach und verbarrikadiert sämtliche Fluchtwege, so dass er sich am Schluss geradezu kleinmütig mit dem Eingeständnis „Nimm den Eid“ fügen muss. Die Auseinandersetzungen mit Wagners ersten Frau Minna dürften hier Pate gestanden haben. John Dew hat diese Szene mit einer solchen psychologischen Realitätsnähe inszeniert, dass man darüber fast Wagners unsägliche Stabreime vergisst. Hier ist er dem modernen psychologischen Theater ganz nahe, was natürlich nur mit einer so ausgefeilten Vorlage wie der von Richard Wagner möglich ist.

Der zweite Aufzug ist mit weiteren dramatischen Akzenten gesegnet. Während der erste Aufzug wie üblich für den Aufbau des Konfliktpotentials zuständig ist – Entführung von Hundings Ehefrau und „Blutschande“ -, kulminiert dieses Potential im zweiten Aufzug. In dem bereits erwähnten Ehestreit geht es natürlich nicht nur um Hundings eheliche Ehre, die Fricka ziemlich gleichgültig sein dürfte. Vielmehr bietet sich ihr mit diesem Vorwand die Möglichkeit, Rache zu nehmen für Wotans diverse Ehebrüche, wobei diese Rache noch dadurch versüßt wird, dass sie ausgerechnet Wotans „unehelichen“ Sohn Siegmund trifft. Hier spielt sich ein typischer Stellvertreterkrieg ab. Der zweite große Konflikt entbrennt zwischen Wotan und Brünnhilde, ebenfalls ein von Fricka ebenso heftig ungeliebtes wie von Wotan geliebtes außereheliches Kind des obersten Gottes. Brünnhilde weiß um Wotans Liebe zu seinem Sohn und seinen tiefsten Wunsch, dass sie diesen im Kampf gegen Hunding gemäß einer ersten Weisung Wotans unterstütze. Wotans Wendung im Ehestreit versteht und akzeptiert sie nicht und widerspricht ihrem Vater aufs Heftigste. Diese Szene ist insofern außergewöhnlich, als dass beide über weite Strecken der Auseinandersetzung nur schweigen und das Reden der Musik im Orchestergraben überlassen. Diese malt dabei die Gefühle und Gedanken der beiden Kontrahenten auf der Bühne aus. Gerade dieser Verzicht auf den Gesang bzw. dessen sehr sparsamer Einsatz erzeugt eine kaum noch zu überbietende Spannung.

vl.nr. Anja Vincken (Siegrune), Hye-Young Choi (Grimgerde), Erica Brookhyser (Waltraute), Katrin Gerstenberger (Brünnhilde), Elisabeth Hornung (Schwertleite), Maria Victoria Jorge Hernándiz (Ortlinde), Bernadette Flaitz (Gerhilde), Carola Glaser (Helmwige)

vl.nr. Anja Vincken (Siegrune), Hye-Young Choi (Grimgerde), Erica Brookhyser (Waltraute), Katrin Gerstenberger (Brünnhilde), Elisabeth Hornung (Schwertleite), Maria Victoria Jorge Hernándiz (Ortlinde), Bernadette Flaitz (Gerhilde), Carola Glaser (Helmwige)

Dramaturgisch übt die orthogonale Anordnung der beiden Szenen eine große Wirkung aus. Während der Ehestreit aus einem verbalen Schlagabtausch zweier unterschiedlich denkender Kontrahenten besteht und mit einem hart erkämpften Sieg (bzw. mit einer Niederlage) endet, „streiten“ sich in der zweiten Szene zwei Menschen, die genau der gleichen Meinung sind. In diesem Streit muss Wotan permanent sein funktionales „Über-Ich“ (Göttervater) über die eigene Person stellen und eine künstliche Kontrastellung gegenüber Brünnhilde aufbauen und halten. Brünnhilde ahnt diesen Zwiespalt mit weiblicher Intuition und stößt beharrlich in die wunde Stelle. Nur mit der Aufbietung all seiner göttlichen und väterlichen Autorität kann Wotan sich durchsetzen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Wotan in dem Streit mit Fricka seinen strategischen Gedankenfehler erkannt hat: er wollte mit Siegmund einen von den Göttern unabhängigen Menschen schaffen, der nicht an die göttlichen Verträge gebunden ist und als „freier Mann“ das Gold und den Ring vom Riesen Fafner zurückholen kann. Doch Wotans Geschöpf – auch noch durch das Wunderschwert „Nothung“ von Wotan geschützt – ist eben kein „freier Mann“, sondern eben über diese Umstände an die göttlichen Verträge gebunden. Siegmund ist für Wotans langfristige Pläne also nutzlos und kann sterben.

Nach diesen beiden Kernszenen im zweiten Aufzug ist für Wotan nichts mehr wie es war. Brünnhild widersetzt sich Wotans Weisung und unterstützt Siegmund aus Mitgefühl, so dass Wotan diesen selbst töten muss. Als Kompensation für dieses schmerzliche Zugeständnis an Fricka und die strategische Situation lässt Wotan auch Frickas Schützling Hunding sterben. Die Emanzipation der beiden Frauen von Wotans Weisungsrecht und die Brüchigkeit seiner Welt äußern sich bereits Ende des zweiten Aufzugs im Bühnenbild. Der Kampf zwischen Siegmund, Hunding, Brünnhilde und Wotan findet nicht mehr vor der biedermeierlichen Wohnungskulisse statt sondern in einem kalten, nebelverhangenen Raum, der keinen bürgerlichen Scheinschutz mehr bietet. Das Sterben ist eine einsame Angelegenheit und diese Szene bereits eine Vorahnung der finalen Götterdämmerung.

Vor diesem Hintergrund ist dann auch der abrupte Wechsel im Bühnenbild des dritten Aufzuges verständlich. Die Walküren regieren als Fluglotsinnen an Bildschirmen in einem modernen Tower. Schon im zweiten Aufzug ist Brünnhilde ale eine zweite Leni Riefenstahl mit braunem Overall sowie Fliegerkappe und -brille aufgetreten. Jetzt tragen die anderen Walküren entweder Hostessenkleidung, die an Luftwaffenhelferinnen des zweiten Weltkrieges erinnert, oder gefütterte Fliegerjacken und Pilotenkappen. Der „Walkürenritt“ tobt damit nicht mehr in mythischen sondern in virtuellen Lüften mit enger Anbindung an die Moderne. Die Walküren vertreten eine Generation emanzipierter Frauen, die Gottvater Wotan nicht mehr als transzendente Autorität sondern eher als Arbeitgeber sehen. Zwar scheuen sie sich anfangs, der von Wotan verfolgten – weil abtrünnigen – Brünnhilde zu helfen, doch bitten sie anschließend doch für sie und helfen der von Brünnhilde geretteten Sieglinde, sich zu verstecken. Schließlich soll sie ja noch Siegfried zur Welt bringen. Nach dem furiosen Walkürenauftritt neigt sich die Inszenierung mit der ausgedehnten Szene zwischen Brünnhilde und Wotan langsam ihrem Ende entgegen. Statt in Entrechtung und Demütigung versetzt Wotan die schuldige Tochter nur in einen Dauerschlaf und umgibt sie mit einer feurigen Lohe, die nur ein Held, aber kein Feigling durchschreiten kann. Siegfried kann kommen.

Ralf Lukas (Wotan), Katrin Gerstenberger (Brünnhilde) Christian Elsner (Siegmund), Susanne Serfling (Sieglinde)

Ralf Lukas (Wotan), Katrin Gerstenberger (Brünnhilde)

Auch für den Schluss hat Bühnenbildner Heinz Balthes noch einmel eine spektakuläre Lösung parat: ein zweiter, roter Vorhang zieht sich um die liegende Brünnhilde herum und bläht sich luftgetrieben zu virtuellen Flammen auf. Eine Videoanimation verstärkt diesen Flammeneindruck zu den langsam absteigenden Passagen des letzten Themas zu dem Bild eines fast echten Feuersturms, bis der Hauptvorgang alles zudeckt.

John Dew ist mit dieser „Walküre“ eine schlüssige und geschlossene Interpretation gelungen, die in allen Aspekten überzeugt. Zwar wird das Bühnenbild den einen oder anderen Wagnerianer nicht zufriedenstellen, aber das ist bei Wagner-Inszenierungen unvermeidlich. Auf jeden Fall sind auch die Überlegungen bei der Einrichtung der Bühne nachvollziehbar. Die Beschränkung auf wenige handelnde Personen durch Richard Wagner – abgesehen von der Walkürenszene zwei bis drei Handlungsträger – unterstützt die Dichte und Geschlossenheit der Handlung. Alles spielt sich in Zweier- oder Dreierbeziehungen ab. John Dew hat die Kernmomente deutlich herausgehoben und konturiert, vor allem die beiden Konfliktszenen im zweiten Aufzug. Aber auch die Szenen zwischen Siegmund und Sieglinde sind von hoher Dichte und Dramatik. Im dritten Aufzug verzichtet Dew auf jegliche vordergründige Effekthascherei, sieht man einmal vom Bühnenbild ab. Dessen spektakulären Elemente setzt er nur punktuell ein und lässt Wotan und Brünnhilde anschließend wieder vor der schwarzen Bühne agieren.

Die Darsteller leisten in dieser Inszenierung Erstaunliches. Durchweg ist die stimmliche Präsenz und Durchaltefähigkeit hervorzuheben. Die durchkomponierten Szenen bei Wagner erfordern von den Sängern und Sängerinnen die Fähigkeit, lange Gesangspassagen mit höchster Intensität und Expressivität durchzustehen. Im ersten Aufzug brilliert vor allem Susanne Serfling als Sieglinde mit einem geradezu voluminösen Sopran, den man dieser zierlichen Frau kaum zutraut. Neben ihr zeigt Tenor Christian Elsner, dass er auch über eine raumfüllende Stimme verfügt. John in Eichen besticht nicht nur mit seinem tiefen und doch stets präzisen Bass, sondern spielt auch den Bösewicht Hunding überzeugend.

Ralf Lukas (Wotan), Katrin Gerstenberger (Brünnhilde)

Ralf Lukas (Wotan), Katrin Gerstenberger (Brünnhilde)

Gundula Hintz darf dieses Mal als Fricka mehr aus sich herausgehen und verleiht sowohl stimmlich als auch darstellerisch dieser Figur wesentlich ausgeprägtere Züge als es in „Rheingold“ möglich war. Ihre Interpretation der willensstarken, streitlustigen und messerscharf argumentierenden Ehefrau ist nicht nur glaubwürdig, sondern scheint direkt aus dem „echten Leben“ zu kommen. Ralf Lukas als Wotan muss da all sein Können aufbieten, um nicht nur als fiktiver Ehemann sondern auch als Sänger zu bestehen. Als Wotan gelingt ihm dies per Libretto nicht, als Sänger und Schauspieler schon. Dadurch entwickeln sich die Szenen zwischen Fricka und Wotan zu Höhepunkten. Ähnliches gilt für Katrin Gerstenberger, die nicht nur mit einer glasklaren und durchsetzungsstarken Stimme überzeugt, sondern sich auch durch hohe Agilität auf der Bühne auszeichnet. Ihr nimmt man die Amazone Brünnhilde ohne Zaudern ab, die fast androgyn durch die Lüfte stiebt und den Willen ihres Vaters erfüllt. Neben Katrin Gerstenberger agieren Bernadette Flaitz, Maria Victoria Jorge Hernándiz, Erica Brookhyser, Elisabeth Hornung Carola Glaser, Anja Vincken, Hye-Young Choi und Gundula Schulte als die anderen acht Walküren und bringen zu Beginn des dritten Aufzugs viel Temperament und respektable Chorleistungen auf die Bühne.

Das Orchester unter der Leitung von Constantin Trinks überzeugt in dieser Inszenierung durch eine ausgefeilte Interpretation der Partitur. Dabei fällt auf, dass Trinks weitgehend auf Wagnersche Rauschfülle verzichtet. Nur dort, wo es die Handlung erfordert, lässt er die Zügel los und das Orchester aus dem Vollen schöpfen. Dabei spielen jedes Mal die Blechbläser – so bei den wiederkehrenden Leitmotiven – dank ihrer Intonationssicherheit und Präsenz eine im wahrsten Sinn des Wortes tonangebende Rolle. Ansonsten zieht sich das Orchester immer wieder bewusst auf fast kammermusikalisches Niveau zurück und lässt den Sängern viel akustischen Spielraum zur Entfaltung, ohne deswegen in die Beliebigkeit einer reinen Begleitung zu verfallen. Die musikalische Spannung im Orchestergraben ist jederzeit spürbar, und die Dynamik passt sich dem Bühnengeschehen nahtlos an. Wie auch schon im „Rheingold“ bilden Orchester und Sänger eine homogene Einheit.

Die Premierenbesucher zeigten sich bereits nach den ersten beiden Aufzügen begeistert und steigerten ihre Begeisterung am Ende mit spontanen „Bravo“-Rufen sowie kräftigem, teiweise rhythmischem Beifall. Dieser galt dem gesamten Ensemble, dem Orchester und dem Regieteam, wobei sich nicht unterscheiden ließ, wem im einzelnen mehr zugejubelt wurde. An vorderster Stelle sind dabei sicher Susanne Serfling, Gundula Hintz und Katrin Gerstenberger zu nennen, doch der Beifall für die Männer fiel kaum schwächer aus.
Frank Raudszus

Alle Fotos © Barbara Aumüller

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