Eva Völler: „Die Dorfschullehrerin“

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Sowjetisch besetzte Zone (SBZ), Zonenrandgebiet, Schicksalsjahr 1961: Begriffe, die immer mehr im historischen Gedächtnis der deutschen Gesellschaft verschwinden. Da kommt der Roman „Die Dorfschullehrerin“ von Eva Völler gerade recht, denn er lässt das Jahr 1961 wieder lebendig werden.

Helene, Eine junge Dorfschullehrerin aus Berlin, tritt ihre Lehrerstelle in in dem fiktiven Ort Kirchdorf in der Nähe von Hünfeld in der Rhön an. In der kleinen Dorfschule im Zonenrandgebiet werden immer zwei Klassen gemeinsam unterrichtet, und so bekommt auch Helene einen Doppeljahrgang zugewiesen. Der damalige Lehrermangel zeigt sich auch darin, dass es keine Vertretungslehrer gibt und Helene häufig sogar drei Jahrgänge unterrichten muss. Die Arbeitsbelastung ist hoch und die Fluktuation im Kollegium ebenso.

Doch Helene stürzt sich mit Eifer in ihre neue Aufgabe und erarbeitet sich schon bald einen guten Ruf. Die Schüler lieben sie, und zur Dorfbevölkerung bekommt sie schnell Kontakt. Aber etwas stimmt mit der jungen Lehrerin nicht. Warum ist sie häufig zum Wandern im Grenzgebiet unterwegs? Warum beobachtet sie mit dem Fernglas den Todesstreifen zur DDR und das dahinter liegende – ebenfalls fiktive – Weisberg?

Als Leserin erfahren wir bald, dass Helene mit Hilfe eines Freundes ihres Mannes aus der DDR geflohen ist. Ihr Ehemann kam dort unter dubiosen Umständen ums Leben, und ihre kleine Tochter wurde in ein Kinderheim der DDR gesteckt. Helenes große Sehnsucht ist natürlich, ihre Tochter wieder zu bekommen. Doch für einen Republikflüchtling wie sie ist es nahezu unmöglich.

Eva Völler beschreibt das Leben der Menschen im Zonenrandgebiet auf beiden Seiten der Grenze. Besonders eindrucksvoll gestaltet sie den Fluchtversuch von Helenes Vater und ihrer Tochter. Da hält man als Leserin den Atem an und ist geschockt von der Gnadenlosigkeit der Stasi-Mitarbeiter, die Jagd auf die eigenen Bürger machen und sie als Ungeziefer bezeichnen.

Wie der Fluchtversuch ausgeht, wird hier nicht verraten. Wer mehr wissen will, sollte den Roman lesen. Er ist im Lübbe-Verlag erschienen, umfasst 440 Seiten und kostet 12 Euro.

Barbara Raudszus

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