Der vierzehnte Fall von Kommissar Dupin im bretonischen Concarneau beginnt mit einem atypischen Einsatz des Protagonisten, indem dieser persönlich eine Therapie gegen seine Phobie gegenüber seegehenden Booten durchlaufen muss. Als ein Ruf zu einer Mordleiche sein einsetzendes Angstzittern beendet, mutmaßt der Leser bereits, dass dieses Thema im Sinne einer Rahmenhandlung spätestens am Ende noch einmal auftauchen wird. Und so kommt es auch, liefert sich Dupin am Schluss doch noch ein gefährliches Verfolgungsrennen mit dem Mörder – Achtung Spoiler: oder der Mörderin? – im schnellen Schlauchboot.
Das Mordopfer ist die Chefin eines hoch geschätzten bretonischen Schokoladenherstellers, deren Leiche passenderweise in einen gefüllten Schokoladenkessel versenkt wurde. Sie hatte das weltweit agierende Unternehmen mit Bruder und Schwester gegründet und geleitet. Von diesem Augenblick an geht es in dem Roman hauptsächlich um Schokolade. Mit einigem Recht könnte man von einem Sachbuch mit rahmender Kriminalhandlung sprechen, denn bei der Auflösung des Falls muss sich Dupin immer wieder seitenlange Vorträge über die Herstellung und die Eigenarten von Schokolade anhören. Bannalec gestaltet diese Vorlesung recht geschickt, da die fachlichen Themen durchaus zur Kriminalhandlung passen. Denn spätestens nach dem zweiten gewaltsamen Todesfall in der Geschäftsführung wird klar, dass es hier ums Geschäft geht.
Um die Auflösung noch zu komplizieren, lässt Bannalec noch ein gewichtiges Kokain-Paket in einem der aus Mittelamerika importierten Säcke mit Kakaobohnen auftauchen, das sowohl beim Leser als auch bei den Kriminalisten – vor allem bei Cadeg (für Dupin-Kenner) – den Verdacht auf internationalen Drogenhandel weckt. Doch Dupin ist sich sicher, dass es hier letztlich um das Schokoladengeschäft geht, wie auch immer. Das ermöglicht dem Autor auch, sich mit seinem Helden immer tiefer in die Geheimisse der Schokolade zu versenken. Das führt zwar zwischenzeitlich zu Längen, doch für Freunde der Schokolade ist es so gewinnbringend wie appetitweckend, und Bannalec gelingt immer wieder elegant die Rückkehr in das kriminalistische Fahrwasser.
Ein weiterer literarischer Trick, um eine Ermüdung durch Schokoladen-Exkurse zu verhindern, besteht in der Schlaflosigkeit Dupins, der drei Tage und Nächte ohne Schlaf nach der mörderischen Person sucht, wohl wissend, dass er sie zwar kennt, aber (noch) nicht identifizieren kann. Dabei ernährt er sich, wenn ihn nicht gerade das Klingeln des Telefons vom gedeckten Tisch reißt, von Kaffee und – natürlich: Schokolade! -, die laut beigefügter Expertise Wachmacherfähigkeiten besitzt.
Auch der Leser weiß spätestens ab der Mitte des Buches, dass sich die Auflösung auf den Kreis der bereits bekannten – und noch lebenden – Personen beschränken wird, knobelt jedoch vergeblich an einer schlüssigen Lösung. Die liefert Bannalec alias Dupin dann erst kurz vor Schluss mit durchaus logischer Stringenz, verbunden mit echten „Showdown“-Effekten.
Darauf darf man sich zum Schluss ein großes Stück Schokolade gönnen – wie es auch Dupin tut.
Das Buch ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen, umfasst 403 Seiten und kostet 18 Euro.
Frank Raudszus
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