Peter Hoeres: „Rechts und links“

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Die Begriffe „Rechts“ und „Links“ sind seit einiger Zeit mit zunehmender Radikalität politisch aufgeladen, bis hin zu tätlichen Angriffen auf die jeweils andere Seite. Sowohl in den Niederungen der Gesellschaft als auch in der intellektuellen Elite ist eine steigende Polarisierung festzustellen. Der Autor des vorliegenden Buches, selbst Politikwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber, hat sich diesen kontrastierenden Begriffen auf eine grundsätzliche Art und Weise gewidmet, um der Entstehung der Spannung auf die Spur zu kommen.

Wenn er das Thema mit der mehrheitlichen Rechtshändigkeit des Menschen angeht, erscheint das auf den ersten Blick wegen des großen Abstands zwischen Biologie und Politik etwas grotesk, doch schnell zeigt sich, dass dahinter eine logisch zu nennende Entwicklung steckt. So führte die höhere Wertschätzung der rechten Hand – etwa bei Kämpfen oder alltäglichen Verrichtungen – schnell zu einem entsprechenden Wertzuwachs der rechten Seite. Schon in der Bibel liest man von „sitzend zur Rechten Gottes“, und an Herrscherhöfen saßen die wichtigsten Personen rechts vom Herrscher. Gelegentlich vor allem von einer europakritischen Linken vorgebrachte Behauptungen, die Rechtshändigkeit sei außereuropäischen Gesellschaften von den Kolonialmächten aufgezwungen worden, widerlegt Hoeres eindeutig durch Verweise auf verschiedene indigene Völker ohne Kontakt zu Europäern, die ebenfalls eine überwiegende Rechtshändigkeit aufweisen.

Bis zur Französischen Revolution hatte sich die moralisch und politisch aufgeladene Bevorzugung der rechten Seite weltweit auch in der politischen Repräsentation durchgesetzt, so etwa in den Parlamenten, wo die – „Guten“ – Adligen rechts und die – „fragwürdigen“ – unteren Stände links saßen. Erst in den 1790er Jahren drehte sich diese Bewertung, als die siegreichen Jakobiner (und sonstige Revolutionäre) von der linken Seite aus die Mo0narchie zumindest zeitweise vertrieben. Von da an hatte sich die „Linke“, spätestens ab Marx, einen selbstdefinierten moralischen Bonus erarbeitet, der sich seitdem nicht nur gehalten, sondern sogar verstärkt hat.

Hoeres zeichnet diese Entwicklung der normativen Wertung von „links“ und „rechts“ bis in das frühe 20. Jahrhundert detailliert nach und zeigt, dass „links“ mit der bolschewistischen Revolution noch einmal einen gewaltigen Aufschwung erfuhr.

Die „Rechte“ ging damit in einen Abwehrkampf über, der sich am besten am Beispiel des Nationalsozialismus zeigen lässt. Ausgehend von der AfD-Behauptung, die Nazis seien „links“ gewesen – National.-„Sozialismus“! -, präsentiert Hoeres eine gründliche Analyse der politischen Verortung des Dritten Reiches. Dabei kommt er zu dem eindeutigen Urteil, dass die Nazis im Grunde genommen sowohl gegen die etablierten „Linken“ – Bolschewismus! – als auch gegen die „Rechten“ – US-Kapitalismus -gewesen seien und stattdessen einen völkischen Kollektivismus mit sowohl sozial(istisch)en als auch (staats)kapitalistischen Elementen angestrebt hätten. Eine in sich geschlossene – und widerspruchsfreie! – Ideologie wurde zugunsten einer populistischen Strategie von vornherein verworfen, vielleicht weniger aufgrund strategischer Überlegungen als eher aus einem machtpolitischen Bauchgefühl heraus. Allerdings verwirft er die von der Linken empört zurückgewiesenen sozialistischen Aspekte der Nazis nicht völlig, sondern gesteht ihnen eine gewisse Relevanz zu und hebt damit die Diskussion über dieses „heiße“ Thema vom Empörungsritual auf ein intellektuelles Niveau.

In der Gegenwart konstatiert er einen zunehmend pauschalisierten „Kampf gegen Rechts“, der sich nicht mehr auf einen wohldefinierten Rechtsextremismus bezieht, sondern auf einen schwammigen „Rechts“-Begriff, der im Prinzip unmittelbar rechts von der eigenen Verortung beginnt und damit den Kampf legitimiert. In dieser Welt ist auch die CDU bereits Teil der zu bekämpfenden Rechten, ohne dass dies (noch!) explizit so gesagt wird. Hoeres wirft der Linken, die heute in der Polarisierung und Ausgrenzung der „Rechten“ ihr Wählerpotential suche, vor, gerade das zu betreiben, was sie der „Rechten“ vorwirft: Polarisierung und Ausgrenzung. Ausdrücklich betont Hoeres, dass in einer Demokratie auch rechtes Gedankengut – bis zu festzulegenden Grenzen! – seine Berechtigung habe und offen diskutiert werden müsse. Eine moralische Verteufelung sei gleichzusetzen mit einem Angriff auf die Demokratie.

Gerade dies letzte Kapitel wird ihm seitens der Linken sicher viele Vorwürfe einbringen bis hin zur Verortung bei der „Rechten“. Seine Ausführungen über Ausgrenzung und Verjagung aller Kritiker in die rechte Ecke durch verschiedene linke Organisationen zeigen, dass er sich dieser Gefahr bewusst ist, und gerade die Tatsache, dass er die Angst vieler Wissenschaftler und Politiker vor dieser Ausgrenzung beklagt und kritisiert, beweist, dass er sich über diese Angst hinwegsetzt und die Dinge beim Namen nennt.

Das Buch ist im Verlag „zu Klampen“ erschienen, umfasst 212 Seitebn und kostet 24 Euro.

Frank Raudszus

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