Danke Beaucoup Cyprés

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Französische Chansons finden in Deutschland vor allem in den frankophilen Kreisen immer eine wohlwollende bis begeisterte Aufnahme. Der Esprit der Texte von Charles Aznavour bis George Brassens sowie die meist eigenwillige, vom Massengeschmack abweichende Liedform heben diese Musik wohltuend von dem sülzigen deutschen und dem aufdringlichen amerikanischen Schlager ab. Da liegt es nahe, dass auch das Rheingau Musik Festival ihrem Stammpublikum eine Auswahl aktueller Chansons aus berufenem Mund anbietet, vorzugsweise im Ambiente eines Weingutes. Denn der Wein ist ein weiteres nationales Markenzeichen unseres westlichen Nachbarn. Warum also nicht einmal das Chanson mit dem Rheingauer Riesling kombinieren?

So war der Chansonier Cyprés, der seinen Geburtsnamen selbst auf seiner Webseite verschweigt, Ende Juni Gast beim Rheingau Musik Festival und brachte im Weingut Allendorf den Deutschen Gästen den melancholisch-nachdenklichen Geist seiner Chansons nahe. Cyprés kam 1989 in den Pariser Banlieues als Sohn  portugiesischer Eltern zur Welt und brachte sich sowohl das Gitarre- und Mundharmonikaspiel als auch das Schreiben von Chansons autodidaktisch bei. Aus anfänglichen Auftritten in U-Bahnstationen mit Hut vor den Füßen gelang ihm schnell der Aufstieg zum angesagten Chansonier, der ihn dann schließlich auch in den Rheingau führte.

Cyprés (Mitte vorn) und seine Band mit (v.l.n.r.) Anne-Charlotte Jan-Muger, Matthieu Baud und Anais Laffon

Cyprés´ Stärke liegt neben einer guten Stimme und intelligenten Texten (die man in Deutschland natürlich nur bruchstückhaft versteht) vor allem darin, dass er musikalisch „aufgerüstet“ hat, indem er nicht solo sondern mit einer Band auftritt. Er selbst spielt die Gitarre und die Mundharmonika, die seinen Chansons ein besonderes, melancholisch angehauchtes Flair verleiht. Der Bass von Matthieu Baud sorgt für eine solide rhythmische Unterlage, und die beiden Damen an den Streichinstrumenten – die spielfreudige Anaïs Laffon an der Violine und Anne-Charlotte Jan-Muger am Violincello – fügen noch ganz andere Klangfarben und Stimmungen hinzu. So bleibt Cyprés nicht auf seine Gitarre und seinen Gesang beschränkt, sondern kann musikalisch weiter ausholen, was einem abendfüllenden Programm die nötige Abwechslung und Vielfalt verleiht.

Das Programm begann gleich mit einem Lied, das von einem Wunschland („C´est un pays…) auf eine Stadt, ein Haus und ein Zimmer hinunterzoomt, in dem alles so ist, wie es sein sollte. Das zweite Lied, „De loin“, ist von einfachster Harmonik, aber gleicht dieses durch einen melancholischen Tonfall und einen glaubwürdigen Text aus. Mit der Bourgeois-Parodie „Les oiseaux de passage“ zitiert Cyprés sein Vorbild George Brassens, und anschließend serviert er eine musikalische Liebeserklärung an Paris im Regen. In der temperamentvollen Samba „L´Accordéon“ singt er wehmütig über einen alten, schlechten und einen jungen, guten Akkordeon-Spieler, und in dem Chanson „Demain de l´aube“ nach Victor Hugo geht es um den Verlust eines Kindes. Nach einem Ausflug in den gängigen Pop mit einem allerdings nur in Frankreich bekannten Titel beschließt eine musikalische Erinnerung an „Barcelone“ die erste Hälfte.

Nachdem die vier Musiker mit viel Beifall in die Pause gegangen waren, begann der zweite Teil mit Maxime Forestiers „Je veux quitter ce monde heureux“, gefolgt von einem selbst komponierten Chansons über die „Banlieues“, denen Cyprés selbst entstammt. Einem schnellen Stück über „Le forêt“ im 6/8-Takt zum Pizzicato der Geige folgte ein eher schwermütiges Chanson über die Einsamkeit. Seiner portugiesischen Heimat widmete Cyprés das Lied „Portugal“, das ein wenig nach Fado klang, während er mit „La Bohème“ ein Chanson von Charles Aznavour über das Leben auf dem Montmartre zitierte. Es folgten noch zwei drei weitere ähnliche Lieder, die bei aller Ähnlichkeit – introvertiert und stets etwas melancholisch – doch immer wieder eigene Charakteristiken entwickelten und andere musikalische Muster aufwiesen. Mit seiner variablen Band schafft es Cyprés, der Gefahr der Eintönigkeit angesichts der Ähnlichkeit der Chansons zu begegnen. Mal präsentiert Anaïs Laffon an der Geige kürzere oder längere Solo-Einlagen, dann wieder kommt der Bassist zu seinem Recht, und auch die Cellistin ist nicht auf die Lieferung eines warmen Hintergrundklanges reduziert. Jeder kommt hier musikalisch zu seinem Recht und nutzt dies auch mit Können und Engagement. Dabei beachten alle den grundlegenden Duktus dieser Musik und brechen nicht in andere Musikstile aus. Bei aller Wehmut und Nachdenklichkeit schließt das jedoch nicht temperamentvolle Arrangements – mal als Samba, mal als Bossa – aus. Dadurch bietet das Programm viel Abwechslung und immer wieder neue musikalische Effekte.

Das Publikum zeigte sich derart angetan von diesem französischen Abend, dass Cyprés und seine Musiker nicht ohne Zugaben von der Bühne kamen.

Frank Raudszus

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