Der klassische „Dreier“ in der Musik

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Mit dem Erstarken des Bürgertums in Europa des 18. Jahrhunderts entstand der Wunsch, auch im privaten Umfeld mehrstimmige Instrumentalmusik zu pflegen. Das Klavier als einziges von Natur aus mehrstimmiges Instrument stand dabei im Mittelpunkt, da es wegen dieser Mehrstimmigkeit zunehmend die Einrichtung der Bürgerhäuser prägte und auch ohne begleitende Instrumente bereits konzertfähig war. Die Liebhaber der ebenfalls vorhandenen – und transportierbaren! – Streichinstrumente wollten da natürlich nicht zurückstehen, sondern zusammen mit dem Klavier musizieren. Dadurch entstand ein natürlicher Bedarf an Trio-Kompositionen für Klavier, Violine und Cello, da diese drei Instrumente ein breites Spektrum von Klangfarben boten. Im 10. Kammerkonzert des Staatstheaters Darmstadt präsentierte das „Phaeton Piano Trio“ mit Friedemann Eichhorn (Violine), Peter Hörr (Violoncello) und Florian Uhlig (Klavier) ausgewählte Stücke dieser Gattung aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Der Violinist Friedemann Eichhorn

Joseph Haydn war einer der ersten Komponisten, der diesen Bedarf bediente, und selbst er konnte die hohe Nachfrage kaum bedienen. Sein Trio C-Dur Hob. XV:27 aus dem Jahr 1794/95 entstand noch unter der Maßgabe, dass ein kammermusikalisches Stück notfalls auch vom Klavier alleine vorgetragen werden kann. Hier werden Violine und Violoncello über weite Strecken auf Stichwortgeber und Klangauffüller reduziert, während das Klavier den größten Teil in virtuoser Manier dominiert. Das hört sich gut an, und erst der aufmerksame Zuhörer bemerkt die Hierarchie unter den Instrumenten, die vor allem zu Lasten des Cellos geht. Während die Violine noch deutliche Akzente in der Melodieführung und der Klangmischung setzen kann, ist das Cello weitgehend auf die Dopplung des Klavierbasses reduziert. Damit zeigt diese frühe Trio-Komposition die Entwicklung der Gattung an ihrem Ursprung. Der erste Satz ist lebhaft, rhythmisch durchaus akzentuiert bis originell – „Breaks“ wie später beim Jazz sind hier schon ein Stilmittel -, und das Klavier dominiert den Klangraum über lange Strecken. Im zweiten und dritten Satz eröffnet das Klavier jeweils das Thema solo, und dann steigen erst die beiden Streichinstrumente ein. Der zweite Satz lebt von starken rhythmischen Akzenten und der dritte von seinem Tempo und der Virtuosität des Klaviers, das durchgehend das musikalische Feld beherrscht. Die drei Musiker interpretierten dieses Stück mit viel Temperament und Frische, schenkten aber auch den leisen und lyrischen Momenten ihre Aufmerksamkeit. Die beiden Streicher konnten mit ihrer Sekundantenrolle offensichtlich gut umgehen.

Der Cellist Peter Hörr

Das änderte sich schlagartig mit Beethovens Trio D-Dur, op. 70, auch „Geistertrio“ genannt. Das etwa dreizehn Jahre nach Haydns Trio entstandene Werk gesteht allen drei Instrumenten einen gleichartigen Rang zu und lässt sie auf Augenhöhe miteinander agieren. Beethoven denkt nicht mehr an den „Markt“ für diese Stücke, sondern ausschließlich in musikalischen Kategorien. Und diese verlangen für einen kontrastreichen Spannungsaufbau das partnerschaftliche Miteinander aller drei Instrumente. Schon der erste Satz beginnt in typisch Beethoven´scher Manier mit einem geradezu „überfallartigen“ Einsatz des gesamten Ensembles. Erst dann schälen sich die einzelnen Stimmen heraus. Der weitere Verlauf folgt Beethovens Tendenz, weniger auf eingängige Melodien als auf kontrastreiche, stellenweise schroffe Motive zu setzen. Dadurch entsteht die typische auf sich selbst und nicht den Zuhörer konzentrierte Musik Beethovens. Sie lebt von einer großen Spannbreite harmonischer, rhythmischer und dynamischer Elemente.

Der Pianist Florian Uhlig

Der zweite Satz macht dem Beinamen „Geistertrio“ alle Ehre, schafft er doch durch seine ostinaten Begleitfiguren und die geradezu zwanghaften Wiederholungen des Grundthemas eine untergründige, fast jenseitige Atmosphäre. Die Tonart d-Moll leistet dazu einen nicht unerheblichen Teil. Die drei Musiker arbeiteten diesen unheimlichen Aspekt mit insistierender Verve heraus und hätten damit fast – inkorrekten! – Szenenapplaus herausgekitzelt. Der dritte Satz löst dann diese unheimliche Stimmung wieder in einem klaren und frischen „Presto“ auf. Hier „erholten“ sich auch die Musiker von der hohen Konzentration des „Geister“-Satzes und ließen ihrem musikalischen Temperament freien Lauf, ohne jedoch deshalb die Präzision und die Gestaltung zu vernachlässigen.

Nach der Pause erklang dann Antonin Dvoraks Trio Nr. 4 op. 90. Dieses sechssätzige(!) Werk sprengt den klassischen Aufbau und folgt eher musikalischen Traditionen der slawischen Heimat des Komponisten. Jeder der sechs Sätze, die teilweise zusammenhängend gespielt werden, besteht aus je einem langsamen, meist weh- bis schwermütigen Teil und einem heiteren bis eruptiven, der die schweren Gedanken der langsamen Einleitung auflöst. Man kann sich als Hintergrund gut das schwere Leben der Landbevölkerung vorstellen, die sich ihre Sorgen von Zeit zu Zeit ausgelassen wegtanzte (und -trank). Durch diese Struktur entsteht ein Spannungsfeld, das vor allem durch seine Wiederholung an Insistenz und Ausdruckskraft gewinnt. Die eruptiven Passagen sind dabei eher wild als heiter, und gehen dann jeweils wieder in den nächsten langsamen, in sich gekehrten Teilsatz über. Die Metrik ist vor allem in den langsamen Passagen weitgehend frei, wie es in der Hochromantik oft der Fall ist, und die Dynamik wechselt oft abrupt oder weist starke Verzögerungen auf. Dvorak arbeitet hier mit allen Mitteln des Spannungsaufbaus und erzielt damit eine Ausdruckskraft, die mit den Mitteln der Klassik kaum zu erreichen waren.

Diese Komposition stellte für das Ensemble wegen seiner oftmaligen Wechsel der Dynamik und des musikalisch-emotionalen Ausdrucks eine besondere Herausforderung dar. Die drei Musiker meisterten diese Aufgabe auf beeindruckende Weise, und man spürte förmlich, wie sie der jeweiligen musikalischen Stimmung mit ihrer gesamten Körpersprache bis in die Fingerspitzen folgten. Das Publikum folgte diesem Wechselbad der musikalischen Ausdrucksweise gebannt und ohne jegliche Hustenanfälle, was im Konzertbetrieb etwas sagen will.

Der anschließende Beifall fiel so kräftig aus, dass die drei Musiker noch den zweiten Satz von Beethovens „Gassenhauer“-Trio als Zugabe spielten.

Frank Raudszus

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