Zwischen Disco und Konzertsaal

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Zwei noch junge Musiker mischten an diesem Donnerstag im Februar das Darmstädter Publikum beim 6. Kammerkonzert mit einer ungewohnten musikalischen Palette auf. War schon die instrumentale Konstellation ungewöhnlich – Trompete und Perkussion -, so setzten die beiden Musiker mit einer ungewöhnlichen klanglichen Vielfalt noch einen drauf. Simon Höfele (25) – in Darmstadt noch vor wenigen Jahren zur Schule gegangen – spielt die Trompete mit einer für dieses Instrument seltenen Zartheit, und sein italienischer Kollege Simone Rubino, nur unwesentlich älter, setzt dagegen ein virtuoses Feuerwerk auf drei Vibraphonen, einem asiatisch anmutenden Gong und verschiedenen Schlagwerken von der kleinen Holzkombination bis zur Pauke.

Trompeter Simon Höfele

Das Programm an diesem Abend wurde eingerahmt von Debussy. Zwar kam dessen eigene Komposition „Rèverie“ nur zu Beginn zu Gehör, doch das Schlussstück „La luna piena“ („Der Vollmond“) von Simone Rubino erinnert nicht nur im Titel sondern auch musikalisch an Debussys „Claire de lune“.

Debussys Stück bestach durch die zarten Klänge der Trompete, der verhaltenen Vibraphon-Begleitung und den schwebenden Charakter, der so typisch ist für Debussys Musik. Unmittelbar anschließend zeigte Rubino mit Tan Duns „Water Spirit“, dass auch gewöhnliches Wasser musikalische Qualitäten entwickeln kann. Bei abgedunkelter Bühne entlockte er mit bloßen Händen und einer kleinen Metalldose zwei mit Wasser gefüllten Glasbecken die erstaunlichsten Klänge. Der leise Ton und die unterschiedlichen Klangfarben bewegten, tropfenden, fließenden und fallenden Wassers entfalteten dabei eine faszinierende Wirkung.

Das Trompeten-Solostück „Paths“ von Toru Takemitsu gab Simon Höfele die Möglichkeiten, die melancholische Seite seines Instruments zu zeigen, und Debussys „Claire de lune“ in der Version für Trompete und Perkussion schloss sich diesem Klangbild mit seinen introvertierten Klangfarben nahtlos an.

Dagegen war die Auswahl „Widder – Fische – Steinbock“ aus Karl-Heinz Stockhausens „Tierkreis“ von erfrischender Direktheit. Der „Widder“ bläst mit Trommelwirbel und Fanfaren zum Angriff, bei den „Fischen“ fühlt man sich an ein Aquarium erinnert, hinter dessen Scheiben die Bewohner mit großen Augen stumm im Wasser stehen, und der „Steinbock“ springt mit großen Sätzen oder kurzen Trippelschritten von Fels zu Fels. Simone Rubino untermalte das mit eigenen Tanzschritten.

Der zweite Teil führte gleich in die musikalische Jetztzeit. Kaan Bulaks „Fantasy“ op. 15 verbindet die Trompete geschickt mit elektronischen Begleitklängen und Echo-Räumen, wirkt jedoch gar nicht einmal besonders experimentell. Casey Cangelosi dagegen hat mit seinem „Bad Touch“ eine akustische und optische Performance komponiert, die menschliches Stimmengewirr und Rhythmus zusammenbringt und bisweilen an ein Varieté erinnert.

Perkussionist Simone Rubino

Toshio Hosowake verzichtet in seiner Komposition „Im Nebel“ über die Einsamkeit weitgehend auf erkennbare Themen und konzentriert sich ganz auf den Klang. Zu den fast schon etwas düsteren Tönen der Trompete wirbelte Simone Rubino abwechselnd auf drei Vibraphonen. Und der Gong kommt auch mit bedeutungsschweren Anschlägen zum Einsatz. Dagegen wirken Giacento Scelsis „Quattro pezzi per tromba sola“ (Solo für Trompete) geradezu virtuos, wenn sie auch auf tonale Vielfalt verzichten. Das letzte der vier ein wenig an „free jazz“ erinnernden kleinen Stücke besteht nur aus Variationen des Tones „F“.

Mit Iannis Xenakis´ „Rebonds B“ für Schlagzeug solo kam dann der Übergang zur modernen Pop Musik, jedenfalls aus der Perspektive der Zuhörer. Zu Beginn noch an das Klischee von „Urwaldtrommeln“ erinnernd, wandelte sich das Schlagzeug-Solo zu einem virtuosen Wirbel verschiedener Schlagwerkinstrumente, die Simone Rubino mit meisterlicher Technik zum Leben erweckte. Frank Zappas „Approximate“ aus dem Jahr 1974, für Schlagzeug und Trompete von dem Duo selbst umgeschrieben, setzt dieser Pop-Performance noch ein „Sahnetüpfelchen“ auf, denn das rhythmisch akzentuierte Thema wurde drei Mal intoniert: einmal mit den beiden Instrumenten, dann als Gesangsnummer mit DADA-Texten – Rhythmus ist alles! – und als krönender Abschluss in Gestalt einer „Luftnummer“, bei der die beiden Musiker die Musik nur gestisch simulierten, ohne einen einzigen Ton hervorzubringen. Auch surrealistischer Spaß gehört zu so einem Konzert!

Den Abschluss bildete dann – wie bereits erwähnt – Simone Rubinos Eigenkomposition „La lune piena“, das sich als abschließender Rahmen im Debussy-Stil um das Abendprgramm legte.

Die beiden Musiker zeichneten sich nicht nur durch hohe technische und musikalische Fähigkeiten aus, sondern auch durch ihr Unterhaltungstalent. Nicht nur sprachen sie das Publikum direkt an und erklärten die Musik, sondern sie bezogen das Publikum auch mit rhythmischen und gesanglichen Einlagen in ihr Programm ein und suchten stets den Augenkontakt und den künstlerischen Austausch mit dem Publikum.

Dem gefiel das so gut, dass es mit kräftigem, lang anhaltendem Beifall noch einmal Debussys „Rèverie“ als Zugabe erhielt.

Frank Raudszus

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