Benedict Wells: „Spinner“

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Bendedict Wells stellt seinem Roman einen Satz von Arthure Rimbau voran: „Ich bin ein anderer“. Der Satz ist gut gewählt, schildert er doch den Tenor des Romans.

Jasper ist nach dem Abitur nach Berlin gegangen, um dort zu studieren. Er kokettiert gerne damit, Schriftsteller zu werden, nicht etwa, um seine Umwelt zu beeindrucken, sondern eher, um lästigen Fragen nach seinem Studium aus dem Wege zu gehen. Er hat sich zwar an der Universität eingeschrieben, aber eher wegen der Vorteile wie die freie Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel als wegen seines inhaltlichen Interesses an seinem Studienfach. Daher hat er auch bisher keine Lehrveranstaltungen besucht. Er haust in einem billigen Kellerloch und muss mit sehr wenig Geld auskommen, so dass er oftmals kaum genug zum Essen hat. Er ist menschenscheu, hat sehr wenige soziale Kontakte und schreibt an einem Buch mit dem Titel „Der Leidensgenosse“, das inzwischen bereits über tausend Seiten umfasst.

Bei seiner Mutter in München meldet er sich nicht, da sie ihn – wie alle anderen auch – für einen „Loser“ hält. Er hasst die immer gleichen Fragen wie „Wie läufts?“ oder „Was machst Du?“ und steht permanent unter dem Druck, sich anpassen zu müssen, obwohl er nicht weiß, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Der plötzliche Tod seines Vaters vor einigen Jahren hat ihn aus der Bahn geworfen, und sein einziger Vertrauter ist Born, ein älterer Herr aus München, der sich für Jaspers Lebensweg interessiert. Ihm möchte er als erstem sein Buch zum Lesen geben, doch als es soweit ist, erfährt er von Borns Frau, dass dieser vor kurzem überraschend an einem Herzinfarkt verstorben sei. Das ist schlimm für Jasper, denn sofort erwacht sein schlechtes Gewissen, weil er sich lange nicht bei Born gemeldet hat.

So treibt Jasper zwischen Schicksalsschlägen und Misserfolgen durch das Leben wie ein „psychopathischer Affe, der auf einer blauen Müllkugel durchs Weltall rast“. Er fühlt sich verloren und dem Tode geweiht. Große Gefühle wechseln sich mit kläglichem Alltagsärger ab.

Schließlich übergibt er sein umfangreiches Werk im Verlag ab – Jahre hat er daran geschrieben – und fragt sich beklommen, ob das Buch angenommen wird. Doch langsam geht ihm auf, dass er selbst der „Leidensgenosse“ aus seinem Roman ist. Alle Versuche, die Romanfigur von sich wegzudrücken, sind gescheitert. Was ist los mit ihm? Wo sitzt die Wurzel seiner Probleme? Jasper muss sich selbst auf die Spur kommen.

Benedict Wells hat einen packenden Roman über einen jungen Mann auf dem Weg zu sich selbst und ins Erwachsenenleben geschrieben. Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 324 Seiten und kostet 12 Euro.

Barbara Raudszus

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