Michael Hugentobler: „Feuerland“

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Der Roman „Feuerland“ entführt den Leser in die Welt zweier besessener Sprachforscher. Professor Hestermann hielt 1938 am University College of London einen Vortrag über die Satzlehre in der sumerischen Keilschrift. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Verwendung des Verbs im 3. Jahrtausend vor Christus. Gefühlt hatte er den Vortrag schon zum tausendsten Mal gehalten, und so hatte er nichts Neues mehr zu berichten.

Hestermann ist Völker- und Sprachkundler an der Universität Münster/Deutschland, sechzig Jahre alt und mache sich Sorgen über die Zukunft. Das äußert sich in Albträumen, die ihn in seinem Büro zwischen deckenhohen Bücherstapeln einschließen. Doch dann findet er zufällig in London auf einer Parkbank ein Buch, das ein Mann dort liegen gelassen hat. Es ist eine Sammlung von Wörtern der Yamana, einem Volk, das im weit entfernten Feuerland sehr archaisch und von der Welt vergessen lebt. Hestermann erkennt schnell, dass er einen ganz besonderen Schatz gefunden hat. Den gilt es vor den Nazis in Deutschland zu retten, denn die wollen alle Archive so umfunktionieren, dass sie der nationalsozialistischen Doktrin genügen. Da Hestermann als Einzelner nichts bewirken kann, flüchtet er in die Schweiz.

Der zweite Teil des Romans erklärt, was es mit den sonderbaren Buch über die Sprache der Yamana auf sich hat, und hier kommt Thomas Bridges ins Spiel. Er wächst als Waisenkind in einer Pfarrersfamilie auf. Sein Stiefvater wird als Missionar nach Feuerland geschickt, um die Yamana zum Christentum zu bekehren. Doch die wollen gar nicht bekehrt werden, sondern hängen ihrem Naturglauben an. Krankheiten und das Versiegen der natürlichen Nahrung dezimieren das Naturvolk drastisch. Bridges, der viel Sinn für Sprache besitzt, hat jedes Wort und jeden Ausdruck der Yamana über Jahre handschriftlich festgehalten. Das ist ein ganz besonderer Schatz, da das Naturvolk der Yamana dem Untergang geweiht ist.

Bridges gelingt es jedoch nicht, sein Buch in die Sprachforschung einzubringen. So ist es fast ein Glück, dass Hestermann den „Schatz“ zufällig findet. Vielleicht hat er mehr Glück, dem Werk den entsprechenden Stellenwert in der Sprachwissenschaft zu verleihen. Was der Roman anfangs an Themen aufgreift, versandet leider im dritten Teil. Hier driftet die Handlung in eine Räuberpistole ab. Daher erschließt sich dem Leser auch nicht so ganz, was der Autor mit diesem Roman aussagen wollte.

Das Buch ist im Deutschen Taschenbuchverlag (dtv) erschienen, umfasst 217 Seiten und kostet 20 Euro.

Barbara Raudszus

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