Romina Casagrande: „Als wir uns die Welt versprachen“

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Romina Casagrande hat sich eines schwierigen Themas angenommen: der Schicksale der Schwabenkinder. Ab dem 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden hunderte von Kindern sehr armer Familien aus der Schweiz zu den Höfen Oberschwabens geschickt, um dort zu arbeiten. Die Kinder waren teilweise erst fünf Jahre alt. Es erwartete sie ein knallhartes Arbeitsleben ohne Rücksichtsnahme. Im Grunde war es Sklavenarbeit. Die bitterarmen Schweizer Familien bekamen für ihre Kinder eine geringe Ablösesumme und hatten einen Esser weniger.

Die Autorin stellt in ihrem Roman Edna in den Mittelpunkt. Sie ist inzwischen hochbetagt und hat keine Erwartungen mehr an die Gesellschaft. In ihrem kleinen Häuschen in Castelbello in den Schweizer Bergen lebt sie zufrieden und anspruchslos dahin und erfreut sich an ihrem Garten. Eines Tages stolpert sie jedoch über einen Zeitungsartikel mit einem Foto von Jakob, den sie noch von ihrer Zeit als Schwabenkind kennt. Beide Kinder verbrachten damals schlimme, lieblose Jahre auf einem großen Bauernhof. Zwölf Stunden Arbeit täglich war der Normalzustand. Körperliche und seelische Qualen bis hin zu Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Jakob, zwei Jahre älter als Edna, kümmerte sich ein bißchen um sie und forderte sie sogar auf, gemeinsam zu fliehen. Doch da gab es noch Emil, den Papagei. Der Vogel gehörte Jakob und wurde von den beiden Kindern auf dem Bauernhof versteckt gehalten. Der musste natürlich auf die Flucht mitgenommen werden. Heute lebt der Papagei bei Edna, die ihn viele Jahre gehütet und gepflegt hat, um ihn eines Tages an Jakob zurückzugeben.

Durch den Zeitungsartikel weiß Edna nun, dass Jakob noch lebt und wo sie ihn finden kann. Also beschließt sie, mit kleinem Gepäck und Emil im Transportkäfig über Österreich nach Ravensburg zu wandern, um ihr Versprechen, den Vogel zurückzugeben, einzulösen. Dieser Roadtrip zu Fuß ist für eine alte Dame eine gewaltige Aufgabe. Edna geht genau die Strecke noch einmal, die sie als Kind in Begleitung des Pfarrers aus dem Schweizer Dorf nach Ravensburg gelaufen ist. Dabei kommen viele Erinnerungen wieder hoch. Oft ist sie am Ende ihrer Kräfte, trifft dann aber immer auf Menschen, die ihr weiterhelfen.

Romina Casagrande schildert die Handlung packend aber auch berührend. Der Roman liest sich zwar flüssig, doch die Geschehnisse sind teilweise nur schwer zu ertragen – ein dunkles Kapitel im Umgang mit Kindern.

Das Buch ist im Krüger-Verlag erschienen, umfasst 469 Seiten und kostet 22 Euro.

Barbara Raudszus

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