Ist das echt?

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So lautet das Motto des Staatstheaters Darmstadt für die Spielzeit 2025/26. Hinter dieser verwunderten Frage steht die wachsende Bedeutung der KI, die vor keinem menschlichen Betätigungsfeld Halt macht. Wie man von „Fake News“ in den (a)sozialen Medien weiß, lassen sich beliebige – vor allem bekannte! – Physiognomien in völlig ungewohnte weil konträre Bildkontexte verpacken und damit die jeweilige Personen kompromittieren oder gar denunzieren. Das Staatstheater weist auf diesen Hintergrund mit einigen „Motto-Plakaten“ hin, auf denen wohlbekannte Persönlichkeiten in eine nicht unbedingt zu ihnen gehörende Umgebung transportiert werden. Der weltweite Ober-Clown fehlt bei dieser Sammlung jedoch – bewusst.

Ist das nun echt?

Natürlich schlägt sich die wachsende Bedeutung der KI auch im Programm der nächsten Spielzeit nieder. Das zeigt sich bereits im Programmheft, das Interviews mit verschiedenen Lokalgrößen zur Bedeutung des Theaters (und der KI) enthält. Dabei stammen die Antworten der Befragten mal von ihnen selbst, mal von einem entsprechenden KI-Werkzeug. Grundlegende Unterschiede lassen sich dabei – erschreckenderweise? – kaum feststellen.

Im Spielplan schlägt sich dieser Schwerpunkt in allen Sparten nieder. Die Oper wird im Frühjahr 2026 mit „Anima mea – wo bist du, meine Seele“ ein paritätisch von Mensch und Maschine entwickeltes Stück aufführen, das Schauspiel präsentiert schon einen Monat vorher mit „New Ways to Dream“ eine ähnliche Darbietung von Mensch-Maschine-Geschichten. Das Tanztheater schließt sich diesem Ansatz in „Mirror“ wenige Tage nach dem Schauspielauftritt mit KI-generierten Choreografien an, und selbst das Sinfonieorchester wird im Mai 2026 ein „Werk mit KI (UA)“ aufführen.

Man darf gespannt sein, inwieweit diese Ansätze über plakative und Aufmerksamkeit heischende Ideen hinauskommen. Disruptive gesellschaftliche und technologische Entwicklungen haben schon immer die darstellenden Künste beeinflusst; man denke dabei an den Naturalismus und Expressionismus als Folge der Industrialisierung oder – eher pragmatisch – an die teilweise exzessive Nutzung von Videoclips in Schauspiel und Oper. In der Musik haben sich die Katastrophen der Weltgeschichte sowieso fast zeitnah niedergeschlagen. Hoffen wir also trotz oder wegen KI auf eine so überraschende wie dennoch „echte“ Theatersaison 2025/26.

Dafür bietet das „analoge“ Programm durchaus bemerkenswerte Aufführungen; so wird aufgrund vielfältiger Publikumswünsche Verdis „Aida“ im Oktober Premiere feiern, und im März 26 steht die selten gespielte Oper „Kain und Abel“ des Österreichers Felix Weingartner auf dem Programm. Die Barockmusik wird mit Monteverdis „Die Krönung der Poppea“ vertreten sein.

Die Schauspielsaison beginnt – mit wem schon? – natürlich mit Shakespeare, diesmal statt des blutrünstigen „Macbeth“ mit der Komödie „Was ihr wollt“. Mit Emily Brontés „Sturmhöhe“ wird auch wieder die Bühnenversion eines Romans zu sehen sein. Daneben erscheinen alte Bekannte wie Tschechows „Kirschgarten“ und Kleists „Der zerbrochene Krug“. Back to the roots! Und für die junge Generation bietet sich Mark Twains „Tom Sawyer“ an.

Das Hessische Staatsballett wird mit „Corps de Walk“, „Become Ocean“ und „Mirror“ drei neue Choreographien anbieten, und das sinfonische Programm wird sich mit Bartók, Beethoven, Berg, Britten und Bruckner dem Buchstaben „B“ widmen, wobei jedoch u.a. auch Dvorak, Strauss und Mahler zu ihrem Recht kommen werden.

Bleibt die Kammerkonzert-Reihe, die in der kommenden Saison solche Juwelen wie Schuberts „Winterreise“, Beethovens Streichquartett op. 135 oder Bachs Fantasie und Fuge präsentieren wird. Mozart, Schumann und Vivaldi und weitere sind natürlich in diesem weit gefächerten Programm mit Spitzenensembles ebenfalls präsent.

Es gibt also viel zu tun, auch für das Publikum!

Frank Raudszus

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