Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich Deutschland sukzessive zum Hauptunterstützer des angegriffenen Landes entwickelt und stellt die wesentliche europäische Hürde für einen schnellen russischen Sieg dar. Dass diese Tatsache den Russen ein Dorn im Fleische ist, liegt auf der Hand, und so ist Deutschland das zentrale Ziel für alle Maßnahmen des hybriden Krieges, den Russland gegen die Unterstützergemeinde führt.
Der Autor geht von der aktuellen Lage aus und siedelt sein Stück in der Gegenwart an, ob im Jahr 2025 oder 2026, bleibt offen. Die Hauptakteure sind Putin, Trump, Merz und Pistorius, obwohl Bernhard deren Namen nie nennt, sondern sie nur mit ihrer Funktion aufruft.
Der Roman beginnt mit der Verlagerung einer schnellen deutschen Eingreif-Brigade mit neuestem Gerät nach Litauen, um die Russen an einer Schließung der Suwalki-Lücke zu hindern. Tatsächlich haben die Russen einen solchen Angriff durchgespielt, jedoch festgestellt, dass er wegen der konventionellen Überlegenheit der NATO scheitern würde. So beschließen sie, Deutschland mit einer schweren Terrorwelle zu überziehen, die aber vordergründig nicht Russland zuzuordnen ist. Dazu rekrutieren sie in Syrien und umliegenden islamischen Ländern Freiwillige, gerne auch Islamisten, denen damit ein Ausweg aus ihrer hoffnungslosen Lage gezeigt wird. Dabei beschränken sie sich auf Männer mit Familie, um die sie sich in abgelegenen russischen Städten vermeintlich humanitär kümmern. In Wirklichkeit bilden diese Familien(reste) jedoch ein Faustpfand im Falle eines Versagens oder gar Verrats der Rekrutierten.
Bernhard schildert mit viel Sachverstand die Ausbildung der jungen Männer an neuesten Waffen und Verfahren zur verdeckten und offenen Kriegsführung und zeigt dabei gleich die Bandbreite der geplanten Terrorakte. An einem Stichtag sollen wichtige Infrastruktursysteme wie Energieanlagen, Autobahnkreuze, Flughäfen, ICE-Strecken, unterseeische Gas-Pipelines und LNG-Terminals von jeweils einer Gruppe aus fünf bis sechs Männern zerstört und die anschließend eintreffenden Hilfstrupps – Feuerwehr, Polizei, THW – mit massiven Waffeneinsatz angegriffen werden. So schildert Bernhard den Einsatz russischer U-Boote gegen die Nordsee-Pipelines, wobei er die neuesten Technologien des Unterwasserkrieges mit hohem militärischen Sachverstand beschreibt. Außerdem schildert er detailliert den Einsatz von Drohnen aller Art, denen gegenüber das lange Zeit in einem naiven Pazifismus erstarrte Deutschland schutzlos ist.
Der Einsatz erfolgt genau an dem Tage, als der Kanzler bei einem Besuch in Armenien weilt, und beginnt mit der Tötung des Verteidigungsministers in der Nacht durch eine Drohne. Während dieser Schock im Kanzleramt und in den Krisenstäben noch verarbeitet wird, bricht das Inferno an allen Einsatzorten aus, und die Kontrolle droht den zentralen Stellen zu entgleiten, zumal auch noch der Airbus des Kanzlers nach dem Start angegriffen wird und nur mit Mühe und unter Todesopfern notlanden kann.
Fall für Fall beschreibt Bernhard die Abläufe und die Hilflosigkeit der Angegriffenen wie der Behörden, wobei er vor allem die gute Ausbildung der Täter und die gründliche Planung der Russen hervorhebt. Konsequent wurde jeder Hinweis auf Russland vermieden, bis auf die Waffen, die aber wiederum mit islamischen Parolen beschriftet wurden oder aber sogar im Iran – Drohnen! – hergestellt wurden.
Als das Massaker endet, steht der Kanzler vor einem Scherbenheft, doch er und seine Berater wissen genau, auf wen das zurückzuführen ist. Im Netz werden jedoch schnell die Islamisten – und generell die Muslims – verantwortlich gemacht, da die wenigen gefangenen oder im Kampf getöteten Attentäter durchweg aus diesem Kreis stammen. Für die AfD, die hier namentlich genannt wird, ist das natürlich das gefundene Fressen, und in den (a)sozialen Medien wird zum Kampf gegen die Muslims aufgerufen. Die NATO-Staaten – voran Ungarn und die Slowakei – bezweifeln Russlands Verantwortung und verweigern den Kriegsfall gemäß Artikel 5, und als der Kanzler dem Kreml-Chef am Telefon offen die Schuld gibt, droht dieser mit dem Einsatz nuklearer Waffen. Die Lage ist hoffnungslos, so dass der Kanzler die Vertrauensfrage stellt und Neuwahlen einleitet.
Der Roman erinnert an vergleichbare Bücher in den Neunzigern von Tom Clancy, die fiktive, aber realistische globale Krisen beschrieben. Doch da gab es den Held Jack Ryan, der die „Bösen“ – fast wie James Bod – durch Genie und Mut nahezu im Alleingang erledigte. Diesen namentlichen Held gibt es bei Bernhard nicht, und sein schwaches Pendant, der Geheimdienst-Koordinator im Bundeskanzleramt, zeichnet sich neben seinem Engagement und Weitblick im Wesentlichen durch seine Machtlosigkeit aus.
Auch auf den in Thrillern üblichen Optimismus des letzten Augenblicke – eine glückliche Wendung oder eine schwerer Fehler der Gegenseite – verzichtet Bernhard konsequent. Die AfD, deren Anführer ausgerechnet Albert Heidel heißt – A.H. und A… …eidel!! – erreicht bei der Neuwahl die absolute Mehrheit und erhält umgehend die Einladung nach Moskau.
Bei der Lektüre dieses Buches stellt sich dem Leser zwangsläufig die Frage, ob es nicht gar die Ideen der russischen Seite beflügeln und als Gebrauchsanweisung dienen könnte, wenn das nicht schon der Fall ist. Andererseits hofft man, dass dieses Buch auch in den zuständigen deutschen Behörden als „Bibel“ herangezogen wird, um die Sicherheitsvorkehrungen für kritische Infrastruktursysteme zu verbessern, denn der Zugang wird den Attentätern in diesem – zugegebenermaßen fiktiven – Buch zum Teil doch zu leicht gemacht.
Ohne Panik machen zu wollen, sollte man dieses Buch nicht nur den einschlägigen Behörden, sondern auch jedem Bürger (masc. gen.!) als Pflichtlektüre ans Herz legen. Es ist bei „Books on Demand“ erschienen, umfasst 390 Seiten und kostet 18 Euro.
Frank Raudszus
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