Karl Banghard: „Die wahre Geschichte der Germanen“

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Der Autor dieses Buches leitet das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen im Teutoburger Wald. Allein dieser sagenumwobene Ort lässt bereits auf eine hohe Kompetenz des Museums und daher auch des Leiters schließen. Auf der anderen Seite blickt die Geschichte des Germanentums vor allem in Deutschland auf eine lange und – um es freundlich auszudrücken – ambivalente Vergangenheit zurück. Nicht zuletzt Richard Wagner und seine späten Gefolgsleute in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben dabei kräftig mitgewirkt.

Banghard weist in seinem Epilog in seinem Epilog darauf hin, dass auch viele „kompetente“ Wissenschaftler noch nach dem Krieg an den völkischen Mythen weitergestrickt hätten. Diese Sachlage hat ihn dazu motiviert, in dem vorliegenden Buch die rein auf archäologische Funde gestützte Geschichte der Germanen zu verfassen. Dabei bedient er sich einer zwar sachlichen, aber oft erfrischend saloppen Ausdrucksweise, die vor allem interessierte Laien anspricht und ihnen eine volksnahe Lektüre ermöglicht. So kommentiert er den Verrat unseres berühmten Helden und römischen Legaten „Herrmann der Cherusker“ an seinen Ziehvätern – Varusschlacht im Jahr 9 – trocken mit dem abgewandelten Spruch: „Legat, Illegat, Scheißlegat!“.

Doch ansonsten ist das Buch in einer seriösen Schreibweise verfasst, und Banghard bemüht sich trotz seiner durchschimmernden Volksnähe um eine wissenschaftlich nüchterne Diktion, Und er zeigt damit, dass man auch vermeintlich trockene Themen lebendig vermitteln kann.

Banghard geht sein Thema chronologisch an und verzichtet von vornherein auf eine thematische Struktur. Das führt zwar zu einigen Wiederholungen, erweist sich jedoch als sehr nützlich, da wiederkehrende Elemente dadurch in den Mittelpunkt gerückt werden und sich den Lesern einprägen.

Banghard räumt gründlich mit dem Bild Met saufender und ewig raufender Germanen auf und entwickelt das Bild einer sehr nüchtern denkenden Agrargesellschaft. So zeigt er, dass die Germanen Nutztiere – etwa Rinder – nicht wie die Römer zum Verzehr züchteten, sondern sie als Arbeitstiere in der Landwirtschaft einsetzten, die hauptsächlich für Ernährung verantwortlich war. Weiterhin zeigt er die Sesshaftigkeit der Germanen, die sich in aufwändigen Langhäusern niederschlug. Wanderungen erfolgten nur, wenn der Boden ausgelaugt war oder wenn es zu Stammeskriegen kam.

Dem Zusammenleben bzw. die Konflikte mit den Römern räumt er viel Platz ein und zeigt, dass die Römer die Germanen an und hinter ihren Grenzen dringend für den wirtschaftlichen Alltag benötigten, denn die großen Militärlager konnten – auch in Friedenszeiten -nicht von Italien aus versorgt werden. Daraus ergab sich zwangsläufig eine enge Beziehung, die auch Konflikte beinhaltete.

Banghard geht die Jahrhunderte von der Zeitenwende bis zum sogenannten Untergang Roms Jahrzehnt für Jahrzehnt durch und beschreibt anhand entsprechender Ausgrabungen – Siedlungen, Kampfstätten, Gräber – die militärischen, privaten und spirituellen Eigenschaften der Germanen. Dabei ist er sich der Tatsache bewusst, dass die Knappheit der Funde – durch Verwitterung und Grabräuber – in vielen Fällen nur spekulative Schlussfolgerungen auf den Alltag erlaubt. Und er entwickelt daraus eben nicht völkische Wunschtheorien, sondern ein nüchternes, an Realien orientiertes Germanenbild.

Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Stadien der militärischen, zivilen und politischen Entwicklungen, wie sie das Buch beschreibt, nachzuzeichnen. Das überlassen wir interessierten Lesern. Wer an einem unverfälschten, an Fakten orientiertem Bild der mit dem Oberbegriff „Germanen“ eher irreführend bezeichneten Völkerstämme – Sueben, Cherusker, Chatten u.v.a.m. – interessiert ist, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es garantiert obendrein eine vergnügliche Lektüre.

Das Buch ist im Propyläen-Verlag erschienen, umfasst 269 Seiten und kostet 22 Euro.

Frank Raudszus

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