Für die Generation des Rezensenten war die Lektüre von Mark Twains „Tom Sawyer“ – offizieller Titel „Die Abendteuer des Tom Sawyer“ – geradezu verpflichtend. Man wurde in die weite Welt und in eine andere Zeit entführt, erkannte aber dabei die eigenen Probleme und Befindlichkeiten wieder. Das Staatstheater Darmstadt hat diesen Klassiker jetzt als Familienstück auf die Bühne des Kleinen Hauses gebracht.
Die Inszenierung führt das junge Publikum langsam an die Geschichte heran. Anfangs lümmelt sich nur die kleine Becky (Stefanie Steffen) auf der leeren Bühne, dann erscheinen Tom (Stefan Schuster) und Huckleberry Finn, genannt Huck (Patrick Balaraj Yogarajan). Zusammen stellen sie in einem einleitenden Dialog den Mississippi, das Dorf St. Petersburg sowie dessen Häuser vor. Dabei ziehen sie Tante Pollys (Jörg ZIrnstein) Haus, das Gefängnis und die Kirche nacheinander unter dem sich vom Bühnenhimmel absenkenden dem Mississippi-Panorama hervor und drapieren sie vorne auf der Bühne. Das ist unterhaltsam und ermöglicht vor allem den kleineren Zuschauern die Orientierung. Die einzelnen Geschichten – zu Anfang das berühmte Zaunstreichen – laufen dann in und vor diesen Kulissen ab und das mit dem gespielten, stets ironisch unterfütterten Ernst, wie wir ihn von Mark Twain kennen. Mit diesem Zwischenton erreichte der Autor sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene.
Dass hier ausgewachsene Erwachsene die Rollen von größeren Kindern spielen – man muss sich die drei Protagonisten als Zwölfjährige vorstellen -, macht es etwas schwierig, die Kinder in ihnen zu erkennen, auch wenn sie sich um kindliche Ausdrucksweise bemühen. Vielleicht hätte man es bei dieser Produktion mal mit jungen (Laien-)Darstellern versuchen können.
Wenn man das Stück mit einer Gruppe von Enkeln zwischen sechs und vierzehn Jahren besucht, erhält man ungefilterte Reaktionen. So monieren die älteren unter ihnen, dass Indianer-Joe (Thorsten Loeb) – hier politisch korrekt in „Schurken-Joe“ umbenannt – den Doktor (hier eine Doktorin) zwar zwecks Schonung der kleinen Zuschauer mit einem Schlag seines Schlapphuts(!) umbringt, dann aber dem ohnmächtigen Muff Potter ein Messer als vermeintliche Tatwaffe unterschiebt. Ebenso fragt ein anderer, als die als Doktorin fungierende Statistin in der nächsten Szene wieder im selben Kostüm erscheint, ob denn die Tote überlebt habe.
Man erkennt daran, dass die Geschichten in dieser Inszenierung vor allem für die Kleinen deutlich unter zehn Jahren hergerichtet wurden. Logik spielt keine Rolle, und Angst darf es auch nicht erregen. Diesem Ansatz fällt auch die berühmte Höhlenszene zum Opfer, der Höhepunkt des ganzen Romans, weil sich Tom und Becky hier total verirren und auch noch auf Indianer-Joe treffen. Das ist wirklich die gefährlichste und spannendste Szene im ganzen Roman, wird hier aber nur erzählt vor einer als Höhleneingang fungierenden Kulisse.
Nach knapp eineinhalb Stunden ist Schluss, und die Jüngsten fanden es gut, während die Älteren einen Kommentar des Typs „Na ja!“ abgaben. Das mag auch daran liegen, dass die heutige Jugend schon viel früher mit Filmen anderen Kalibers konfrontiert wird – Tatort! – und deshalb eine typische – naive -Jugendgeschichte nicht mehr ernstnimmt. Immerhin, den Familien mit Kleinkindern zwischen fünf und acht Jahren hat es offensichtlich gefallen.
Kräftiger Beifall für die engagiert aufspielende Ensemble



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