Das verwirrende Liebesspiel der Schönen und Reichen

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Die Deutsche Oper Berlin inszeniert Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“.

1403_figaro_1Was heute „die Schönen und Reichen“, war zu Mozarts Zeit im 18. Jahrhundert die Welt der Grafen und ihrer Entourage. Nicht minder ging es in dieser Epoche in der Liebe und der Erfüllung körperlicher Sehnsüchte drunter und drüber. Geändert haben sich Namen und Räumlichkeiten, denn die Paläste der vergangenen Jahrhunderte dienen heute häufig als Museen. Jedoch mag es sein, dass sich selbst einige private Anwesen der Neuzeit nicht unbedingt maßgeblich von den damaligen unterschieden. Die echte Diskrepanz liegt wohl vielmehr darin, wie das Volk und die beleuchtete Klasse die frappierende Darstellung der Realität aufnehmen. In der heutigen Zeit mit ihrer Flut an medialen Inhalten und Transparenz jeglichen privaten Geschehens erwirkt ein Schaubild privater Abgründe vielleicht nur noch ein müdes Lächeln. Beaumarchais gelang es jedoch, ein Tabu zu brechen, indem seine Komödie „Ein toller Tag oder Die Hochzeit des Figaro“ ein Dienerpaar auf die Bühne brachte, das sich erfolgreich gegen seine moralisch verfallene Herrschaft zu Wehr setzte. Dies war ein Skandal im vorrevolutionären Paris der frühen achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Mozart nahm diese Geschichte als Vorlage für seine Oper „Die Hochzeit des Figaro“.

Susanna (Heidi Strober) und Figaro (Marko Mimika) sind ein Liebespaar, das seine baldige Hochzeit am Hofe des Grafen Almaviva (John Chest) vorbereitet. Sie sind gerade dabei, die ihnen zugewiesene Wohnung im gräflichen Schloss zu beziehen, als das Drama sich zu entfalten beginnt. Während Figaro voller Lebensfreude das Bett bemisst und aufbauen möchte, befürchtet Susanna schon, dass der Graf wohl noch von seinem Recht der ersten Nacht Gebrauch machen wird. Während des Grafen Liebe zu seiner Gräfin Rosina (Maria Pia Piscitelli) bereits recht erloschen scheint, ist seine Lust nach Susanna geradezu greifbar, wenn er den Raum betritt. In wütendem Eifer, die Pläne seines Herren zu vereiteln, stürmt Figaro auf die Szene.

Susanna muss nicht lange auf Gesellschaft warten, denn bald tritt der Page Cherubino auf. Dieser Jüngling, gespielt von Jana Kuroková, war bereits vom Grafen des Hofes verwiesen worden, da er sich angeblich unsittlich der Gärtnerstochter Barbarina genähert hatte. Nun bittet Cherubino, dass Susanna ein gutes Wort für ihn beim Grafen einlegen möge. Plötzlich sind wieder Schritte zu hören, die sich dem Gemach von Susanna und Figaro nähern, so dass sich der Page rasch hinter einem Stuhl verkriecht. Der Graf tritt ein – welche Überraschung. Sein eigentliches Anliegen ist es, die schöne Susanna durch seinen Charme für sich einzunehmen. Dies gelingt ihm natürlich nicht.

1403_figaro_2Der zweite Akt spielt sich im nächsten Schlafgemach ab, was erneut den erotischen Grundcharakter der Oper unterstreicht. Nun findet man sich in Rosinas Räumlichkeiten ein, und zuerst sind das Rosina selbst und ihre Kammerzofe Susanna. Rosina wehklagt über die erloschene Liebe des Grafen. Gemeinsam mit Susanna und später Figaro feilen sie an einer Strategie, wie sie den Grafen eifersüchtig machen können. Wieder ist es jedoch Cherubino, der als erster die Runde erheitert und die Szene mit den beiden Damen alleine bestreitet. Gerührt von seinen Klagen über das Schicksal, schlagen die Damen vor, ihn in Frauenkleider zu hüllen, so dass der Graf ihn zumindest bis zur Hochzeit von Susanna und Figaro nicht erkenne. Diese Verkleidungskünste nehmen ihren Lauf, bis es wieder an der Tür klopft.

Voller Unmut betritt der Graf das Gemach, da das Verriegeln der Tür nicht zu den üblichen Gewohnheiten seiner Rosina gehört. Er geht seinem Verdacht nach, dass sich ein Eindringling in seinem Reich befindet, und entdeckt schließlich die nächste verschlossene Tür zum Ankleidezimmer. Der finale Eklat kann knapp vermieden werden, da Susanna Cherubino die Flucht durch das Fenster ermöglicht, bevor Almaviva die Tür zum Ankleidezimmer öffnen kann. So findet der Graf wenig später dort tatsächlich nur Susanna vor und beginnt um Verzeihung zu bitten. Auch Figaro tritt nun hinzu sowie der Gärtner, der von einem aus dem Fenster gesprungenen Mann berichtet. Hiermit beginnt erneut ein vom Grafen inszeniertes Streitgespräch, beladen mit Misstrauen und Verdächtigungen.

1403_figaro_3Der dritte und vierte Akt bieten ein nicht minder verworrenes Spektakel. Hinzu kommt das Schmankerl, das sich Figaro eingefangen hat, als er aus finanzieller Not heraus zuerst der Hausdame des Grafen, Marcellina, die Heirat in Aussicht gestellt hatte. Marcellina, gespielt von Ronnita Miller, ist eine wohlgeformte und lebenslustige Dame, die immer wieder die ihr zugesagte Ehe zur Sprache bringt. Ein geradezu grotesker Slapstick entfaltet sich auf der Bühne, wenn sie, gerne auch mal nach einem Glas Wein zu viel, von ihrer Liebe zu Figaro singt oder ihn gar in sportlicher Manier auf der Bühne verfolgt. Eine herrlich lustige Rolle spielt in dieser Oper auch der Musikmeister Don Basilio (Burkhard Ulrich). Er agiert auch als Adjutant des Grafen und folgt gerne dessen Schritten. Nicht zuletzt in seinem großen Durst nach dem neusten Wissensstand des „Wer mit Wem“ schraubt er seine Ohren in jede Tür und fällt gerne in die Szene, wenn die Tür plötzlich von innen geöffnet wird.

Für die musikalische Gestaltung der Oper sind Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin zuständig. Unter Dirigent Matthias Foremny gelingt es immer wieder, einen brillianten Klangkörper zu erschaffen, der stille wie dominante Szenen gekonnt untermalt. Nicht zu vergessen seien die fulminanten Bühnenbilder, hier verantwortet von Herbert Wernicke. Von der Intimität eines gräflichen Gemachs bis hin zu königlichen Sälen werden Tiefe und Raum teils reduziert und andernorts scheinbar über physische Grenzen hinweg erweitert. Insgesamt präsentiert Götz Friedrich eine sehr gelungene Inszenierung, die mit viel Witz und Charme einen amüsanten Opernabend bietet. Das Libretto glänzt zwar nicht mit besonderer inhaltlicher Komplexität, aber die über Kreuz angelegten Verbindung zwischen den Charakteren machen dem Zuschauer dann doch etwas zu schaffen. Nach drei Stunden und dreißig Minuten ergreift einen das gesunde Gefühl, dass man auch ein Stück Arbeit hinter sich gebracht hat.

Malte Raudszus

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