Die Komische Oper berlin inszeniert Benhamin Brittens Oper „Ein Sommernachtstraum“

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Szenenbild

Ein Nebel der Träume  

Die Komische Oper Berlin inszeniert Benhamin Brittens Oper „Ein Sommernachtstraum“
Es wirkt, als sei die Inszenierung selbst der Mittelpunkt der Inszenierung von „Ein Sommernachtstraum“ des Letten Viestur Kairish. Die begriffliche Verwirrung löst sich hoffentlich, wenn man das Substantiv Inszenierung näher betrachtet und erkennt, dass hier wohl etwas in eine Szene eingebettet wird. Das Etwas scheint gegeben, die Szene wiederum zeigt sich als das frei Wählbare. Ist das nicht der Kern der Darbietung von künstlerischen Werken – Akte, Charaktere und Sprache werden weitestgehend aus den Originalen übernommen und die Umwelt, die Szene an sich, wird durch den Regisseur unabhängig davon gewählt und interpretiert?

Viestur Kairish antwortete auf die Frage,  was er denn als Erstes getan und gedacht habe, als man ihm anbot, für die Komische Oper „Ein Sommernachtstraum“ zu inszenieren, dass er sich primär einmal den Titel durchgelesen hat. Dabei ist im das Wort Traum aufgefallen. Und als er sich den Titel erneut und erneut selbst vorgelesen hat, ist ihm immer wieder der Traum ins Bewusstsein getreten. Und es scheint, mit diesem Dogma hat der Regisseur die Szenerie erschaffen. Ein schwer greifbares und unwirklich erscheinendes  Bühnenbild mit dem Charme eines Steinbruchs prägt die neblige Bühne. IM Gegensatz zur Optik ist das Material jedoch, weich und die Charaktere tauchen im Gehen in den Boden ein – ein Widerspruch wie im Traum, wo sich nichts festhalten, nachprüfen und mit letzter Gewissheit greifen lässt.

Traum bedeutet für Kairish auch Unschuld, womit er den Bogen zur Kindheit schlägt. Kinder träumen außergewöhnlich viel, denn neben dem Nachttraum ist auch der Tag ein Refugium für Kinderträume über Zukunft und Wünsche, ob real oder rein fiktiv. Die Elfen in Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ lässt der Regisseur somit ebenfalls durch Kinder spielen – allerdings in den Gewändern von Greisen. Erstaunlich glaubwürdig schaffen es die Kleinen, auch Gestik und Gang Ihrer Urgroßeltern zu verkörpern. Mit der greisenhaften Darstellung bedient Kairish die eigene Sichtweise, dass Menschen sich im hohen Alter vom Verhalten wieder ihrer Kindheit annähern. Sie werden sorgenlos, wenn sie das Erwerbsleben hinter sich lassen und Ernsthaftigkeit sowie das eigene Tun kaum noch Einfluss auf die Möglichkeiten der Lebensführung haben. Zudem schwindet das durch persönlichen Einsatz potenziell Erreichbare und weicht dem Traum, der als Einziges bleibt, um das Postmortale zu begreifen. Der Traum umrahmt also das Leben eines jeden Erdenmenschen. 

Szenenbild mit TeddybärenAls weiteres kindlich verträumtes Stilmittel nutzt Kairish Teddybären von kuschelig klein bis authentisch groß, die in reicher Menge verteilt auf der Bühne liegen. Im Interview verweist der Regisseur darauf, dass es Benjamin Britten, dem Schöpfer der Oper, in seinen Stücken immer wieder um den Verlust der Unschuld gegangen sei. Zudem hebt er die Kraft und Präsenz der Musik als zentrales Element der Oper hervor, die viel wichtiger sei als der gesprochene Text. Zusammen schaffen Musik und die Szenerie der Teddys eine eigenwillige Symbiose der Vergänglichkeit. Wenn die Elfenkinder ihre Teddybären einzeln zu Grabe tragen, vermittelt dies eine tiefe Traurigkeit über den Abschied von Kindheit, Traum und Unschuld.

Letztlich bleiben die Darsteller und Charaktere hinter einem nebligen Schleier zurück, aus dem niemand so recht herauszutreten vermag. Einzig Zettel, gespielt durch Stefan Sevenich, spielt in der Rolle des quirligen Handwerkeranführers eine spritzige und außergewöhnliche Rolle. Dominiert von seinem Drang zu Ruhm und Ehre, die seines Standes wegen doch so unendlich fern erscheinen, möchte er im Handwerkertheater gerne den Tyrannen spielen. Jedoch sieht seine Rolle den Freitod vor, was nun so gar nicht zu seinem Selbstbild passen möchte. Zettel echauffiert sich auf liebevolle Art, doch bleibt sein Regisseur bei der vorgedachten Rolle. Sevenich verleiht der Rolle und dem Stück durch seine unverblümte Direktheit und selbstironische Darstellung eine gehörige Portion Witz und Leichtigkeit, die das Publikum herzlich willkommen heißt.

Insgesamt treten die Handlung und die Leichtigkeit ihr zu folgen in den Hintergrund – man mag es für bedacht halten, da es dem verschwommenen Traumbild zuträglich ist. Die vier jungen Liebenden Lysander, Hermia, Demetrius und Helena sind leicht durch ihre verschieden kolorierten Kostüme zu erkennen – die Unterschiedlichkeit der Charaktere bleibt jedoch im Unwirklichen verborgen. So fällt es dem Zuschauer nicht leicht, hier ein klares Konzept oder Fortschreiten der Geschichte herauszulesen. Der Streit Oberons (David DQ Lee) und Titanias (Nicole Chevalier) um den indischen Knaben ist dafür umso eindeutiger. Die Rolle des Puck (Gundars Abolins) ist zwar witzreich und einfältig verkörpert, jedoch tritt auch dieser nicht aus dem Nebel des Traumes hervor.

Zuletzt ein Lob an die musikalische Leitung vertreten durch Kristiina Poska. Die musikalische Dynamik und Einfühlsamkeit unterstreicht die Traumwelt und wiegt das Publikum in eine selige Atmosphäre.   

Malte Raudszus

 

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