Auf dem Weg von Tirol in den Bregenzerwald

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Blick auf St. Christoph am Arlberg

Wandern im Arlberg

Die Strecke von Oberndorf in Tirol bis nach Reuthe im Bregenzerwald nimmt trotz weitgehender Nutzung der Autobahn einige Zeit in Anspruch. Das stört uns an diesem verregneten Sonntagmorgen wenig, und so kurven wir erst auf der glücklicherweise wenig befahrenen  Landstraße bis nach Wörgl, wo wir auf die Autobahn Richtung Innsbruck/Arlberg wechseln. Etwa ab Innsbruck lockert die Bewölkung auf, und kurz danach bricht die Sonne durch. Die graue Wolkendecke verschwindet, und nur noch einzelne weiße Wolken verdunkeln dann und wann die Sonne.

Natürlich tut es weh, den bisher einzigen schönen Tag auf der Straße zu verbringen, und so warten wir auf eine Gelegenheit, die Landschaft unmittelbar zu genießen. Die kommt, als wir kurz vor dem Arlbergtunnel die Autobahn verlassen, um unser Ziel über die Landstraße zu erreichen. Auf  dem Arlbergpass – in St. Christoph – herrscht so sonniges Wetter, dass ein weiteres Verbleiben im Auto geradezu unverantwortlich wäre. Als stellen wir das Auto zwischen den anderen Autos ab, deren Insassen seltsamerweise gerade an diesem zugigen Ort eine Pause für Souvenirs und einen Kaffee im Freien einlegen, und befragen eine Kellnerin nach Wandermöglichkeiten. Zum Glück stoßen wir auf eine begeisterte „Bergziege“, die uns gleich den Wanderweg zur Kaltenberghütte empfiehlt, der nur fünfzig Meter weiter beginnt. Also Wanderschuhe an und auf geht’s!

Der Weg ist eigentlich nicht als solcher zu bezeichnen, sondern schwingt sich sofort von der Straße als Trampelpfad steil den Hang hinan. So geht es auch weiter: Steine als Tritte in einem matschigen Pfad, den Dutzende von Rindern zertrampelt haben. Zwischendurch geht es über nassen Fels steil hoch, so dass man sich an hervorspringenden Felsnasen und krummen Bäumchen festhalten muss. Unaufhaltsam geht es bergan, und die Wegweiser weisen eine Zeit von zwei Stunden aus. Doch dann ziehen dichte Wolken von Norden über die Berghänge, und entgegenkommende Wanderer warnen davor, bei Nebel weiterzugehen. So drehen wir denn nach einer guten halben Stunde auf einer kleinen Anhöhe mitten im karg bewachsenen Hang um und steigen denselben Weg wieder hinab, was sich schwieriger als der Aufstieg gestaltet – eine alte Erfahrung der Bergsteiger. Nach gut einer Stunde haben wir jedenfalls unsere Bewegung am Berg und ein wenig das Gefühl echten Bergwanderns gehabt und können uns wieder guten Gewissens ins Auto setzen.

Blick in die Gegenrichtung zum BergWeiter geht es über Zürs, Lech und Warth – die Strecke ist jetzt noch geöffnet – bis zur Jägeralpe in Hochkrumbach. Dort stellen wir wieder den Wagen ab und begeben uns auf den Wanderweg zurück nach Warth, der angeblich eineinviertel Stunden in Anspruch nimmt. Das war wohl für gemütliche Spaziergänger gedacht, denn wir erreichen Warth bereits nach gut einer dreiviertel Stunde und stärken uns dort erst einmal mit einer heißen Schokolade.

Die Wanderung führt an einer tiefen Schlucht entlang, und während der gesamten Zeit haben wir auf dem Gegenhang einen Wanderweg entdeckt, der sich in geradezu waghalsigen Kurven an dem Hang entlang zieht. Wegen der Steilheit des Hangs sieht der Wandersteg – einen Weg kann man es eigentlich nicht nennen – richtig anspruchsvoll aus. Spontan beschließen wir, auf dem Rückweg diesen Steig zu wählen.

Nach der Schokolade geht es erst hinunter in die „Höll“, wie enge Schluchten in Österreich heißen, und überqueren dort auf einer schwingenden Hängebrücke sowohl den gurgelnden Krumbach als auch die Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg – heimlich wie Schmuggler, wenn auch nicht bei Nacht. Dann geht es auf der anderen Hangseite wieder aufwärts und auf den besagten Wanderpfad. Der erweist sich bald als genau so anspruchsvoll wie gedacht. Links gähnt die Schlucht hinunter bis zum Bach, und der Hang ist so steil, dass ein Abrutschen erst hundert Meter tiefer enden würde. Also heißt es, Fuß vor Fuß zu setzen und genau aufzupassen, dass man nicht wegrutscht. Zwischendurch sind mehr oder minder kräftige Rinnsale zu überqueren, die von oben den Berg hinabschießen und die Steine auf dem Weg blankpoliert haben. Hier muss man besonders aufpassen. Dann wieder geht es einige Meter fast senkrecht hoch oder runter, so dass man die Hände zur Hilfe nehmen muss. Oder der Untergrund ändert sich von fester Erde zu leicht beweglichem Geröll, das gerne unter den Füßen weggleitet, oder man muss breite Lawinen aus Geröll überqueren, die sich bereits vor Jahrhunderten den Hang hinunter ergossen haben. Es bleibt auf jeden Fall bis zum Schluss spannend, der uns schließlich wieder zur Straße und zum Parkplatz führt. Jetzt heißt es wirklich aufbrechen nach Reuthe im Bregenzerwald, das wir dann eine Stunde später ohne weitere Verzögerungen erreichen.

Frank Raudszus

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