Die Entdeckung des Menschen

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Das Landesmuseum Darmstadt präsentiert in der Ausstellung „Expanding World“ sechs Wochen lang einzigartige Originalfunde aus der Geschichte des Menschen. Doch diese dienten nicht nur der objektiven Erforschung der Evolution des „Homo“ – welcher Spielart auch immer – , sondern wurden oft dahingehend interpretiert, dem Wunsch des Menschen nach Einzigartigkeit und evolutionärer Exklusivität gerecht zu werden. Diese Ausstellung will nicht nur die Evolution des Menschen, sondern auch die Entwicklung eben dieser Wissenschaft zeigen.

So mag es in der frühzeit des Menschen in Afrika ausgesehen haben

So mag es in der frühzeit des Menschen in Afrika ausgesehen haben

Bis zu den (r)evolutionären Erkenntnissen Charles Darwins im 19. Jahrhundert galt die Bibel als die Grundlage für die Geschichte des Menschen. Danach hält sich diese Sicht nur noch in evangelikalen Kreisen der USA, vorzugsweise im Mittleren Westen. Der Rest der Welt – soweit aufgeklärt – hat die Geschichte der Evolution des Menschengeschlechts aus den Primaten und damit letztlich aus den Einzellern akzeptiert. Es blieben jedoch lange – und bleiben in einigen Fällen immer noch – viele Fragen bezüglich der Ausgestaltung des menschlichen Stammbaums. Kommt er aus einer einzigen oder aus mehreren parallelen Wurzeln? Diese Fragen wurden bis weit ins zwanzigste Jahrhundert kontrovers diskutiert, weil man vorher das Alter von Knochenfunden nicht wissenschaftlich nachweisen konnte. Das eröffnete ein breites Feld für Spekulationen, die nicht immer auch streng wissenschaftliche Grundlage beruhten.

Schädel eines Neandertales

Schädel eines Neandertales

Funde von Überresten früher Hominiden hat es in fünf Weltregionen gegeben: Afrika, Kaukasus,Südostasien, Levante (Israel) und Europa. Da das Alter der jeweiligen fossilen Funde erst Mitte der 20. Jahrhunderts mit der C14-Methode gemessen werden konnte, musste man sich etwa einhundert Jahre lang mit Mutmaßungen zufrieden geben, die auf dem Zustand und dem Aussehen der jeweiligen Knochen beruhten. Dabei war natürlich irrationalen Argumenten Tür und Tor geöffnet, wobei diese nicht unbedingt gezielt eingesetzt wurden. So hat man den Neandertaler lange Zeit eher als Reste missgebildete Einzelindividuen gedeutet, da man sich sträubte, die eigene Gattung auf diesen eher einem Primaten ähnelnden Vorfahren zurückzuführen. In anderen Fällen definierte man entsprechende Funde als alt, d. h. als „Stammbaum“ der Menschheit, weil man diesen gerne in der eigenen (politischen und ethnischen) Region ansiedeln wollte – Stichwort „Narzissmus“. Erst die Altersbestimmung nach der C14-Methode räumte zumindest teilweise mit diesen falschen Zuschreibungen auf und ermöglichte eine chronologisch zuverlässigere Einordnung der Funde. Doch auch diese Methode ist abhängig vom Erhaltungszustand des jeweiligen Fundes und liefert zum Teil nur großen zeitliche Bandbreiten. Ein besonders grotesker Fall war der Fund des Piltdown-Menschen, der den frühen „homo sapiens“ in zur Freude der Engländer im eigenen Land ansiedelte. Erst 1953 stellte sich dieser Fund als grobe Fälschung heraus.

"homo sapiens" aus Israel (Kopie)

„homo sapiens“ aus Israel (Kopie)

Das Hessische Landesmuseuem hat es geschafft, bis auf zwei Fälle sämtliche Originalfunde von den jeweiligen Besitzer zu entleihen. Der sogenannte „Pekind-Mensch“ ist Mitte des 20. Jahrhunderts bei einem Rettungsversuch verschwunden – wahrscheinlich mit einem Schiff untergegangen -, und in einem anderen Fall haben die Besitzer das wertvolle Original nicht herausgegeben. Es liegt also immer noch in einem verschlossenen Tresor.

Die fünf Weltregionen sind in jeweils eigenen, abgedunkelten Schauräumen angesiedelt, in denen jeweils die Funde in gesicherten Glaskästen untergebracht sind. Schrifttafeln und interaktive Bildschirme informieren über den Hintergrund der jeweiligen Objekte sowie die Umstände ihrer Entdeckung und wissenschaftlichen Zuordnung. Interviews mit Experten des Fachs vermitteln einen Einblick in die Arbeit der Archäologen, Genealogen und Biologen, und über die Eitelkeiten des 19. und frühen 20. Jahrhundert kann man heute glücklicherweise schmunzeln.

Besonders zu empfehlen sind die Führungen des Landesmuseums durch die Ausstellung. Dabei sollte man sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, Dr. Oliver Sandrock persönlich zu erleben. Seine Begeisterung für das Thema, seine bildreiche und humorvolle Art des Vortrags und seine engagierte Ausleuchtung der Besonderheiten dieser Ausstellung sind für jeden Besucher ein Genuss.

Also nichts wie hin zum Hessischen Landesmuseum Darmstadt.

Frank Raudszus

 

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