Rolf Dobelli: „Die Kunst des klaren Denkens“

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52 Essays über typische Denkfehler und -sackgassen

Rolf Dobelli ist einer der seltenen Exemplare der Gattung „Schriftsteller“, die sich neben dem Schreiben auch mit dem Leben in einem schnöden Berufsalltag auseinandersetzen. Im Grunde genommen ist er sogar ein erfolgreicher Geschäftsmann, der über die Gabe zum und die Lust am Schreiben verfügt. Das macht seine Bücher realitätsnah und eingängig, ohne dass sie deswegen in die Rubrik „Ratgeber-Literatur“ abrutschen. Vielmer bringt er in seinen Büchern typische Tendenzen psychologischer oder gesellschaftlicher Art auf den Punkt und bietet neben der Kritik an dem, was ist, zumindest implizit eine Alternative an.
In dem vorliegenden Band greift er in 52 kurzen Essays typische Denkschemata auf, denen wir alle unterliegen und die durchweg zu fatalen Konsequenzen führen können. Diese können in geschäftlichem Misserfolg oder auch in privater Isolation und Selbst-Ausgrenzung bestehen. Bei der Lektüre dieser Essays erkennt man sehr oft eigene Attitüden und Fehleinschätzungen wieder – oder sollte es jedenfalls tun.
In „Swimmer´s Body“ deckt er die Illusion auf, Begabung durch Training und Willen zu ersetzen. Der bekannte Schwimmer hat sich seine Traumfigur nicht antrainiert – was man auch gerne täte – sondern er ist ein so guter Schwimmer, weil er von Hause aus die körperlichen Voraussetzungen mitbringt. Der „Overconfidence-Effekt“ wiederum bewirkt, dass wir alle unsere Fähigkeiten überschätzen – Wunschdenken! – und uns damit nicht selten in Schwierigkeiten bringen. Der „Social Proof“ ist der Druck der „allgemeinen Meinung“, die wir schließlich trotz besseren Wissens übernehmen, und bei der „Sunk Cost Fallcy“ kann man es nicht übers Herz bringen, ein fragwürdiges Projekt abzubrechen, weil man schon so viel Geld hineingesteckt hat. Unter der „Es-wird-schlimmer-bevor-es-besser-wird“-Falle versteht Dobelli den Trick vieler Geschäftsleute und Politiker, schlechte Ergebnisse als notwendig für eine spätere Wende zum Guten umzudeklarieren. Der „Rückschaufehler“ besteht darin, dass man nachher immer genau weiß, warum es genau so hat kommen müssen, wie es kam. Nur weiß man das leider vorher nicht.
Ein schönes Beispiel für verqueres Denken ist auch das sogenannte „Auswahl-Paradox“, bei dem sich der Mensch umso schwerer entscheiden kann, je mehr Auswahlmöglichkeiten er hat, da er stets befürchtet, noch nicht die ideale Lösung gefunden zu haben. Natürlich darf bei diesen Betrachtungen auch die falsche Auffassung von Wahrscheinlichkeit nicht fehlen. Gerne glauben (oder wünschen) wir, dass nach einer langen „Rot“-Serie beim Roulette die Wahrscheinlichkeit für Schwarz dramatisch steigt. Falsch geschlossen! Ähnliches gilt beim „Neglect of Probabillity“ für die Höhe eines möglichen Gewinns. Je höher dieser ist, desto weniger beachten wir seine Wahrscheinlichkeit und wetten eifrig auf den Riesen-Jackpot. Beim „Groupthink“ versteckt sich der Einzelne gerne hinter dem Konsens einer Gruppe, weil er im Fall der Fälle sagen kann, die anderen hätten ja dieselbe Meinung vertreten.
Auch die heute so gerühmte „Team-Arbeit“ sieht Dobelli durchaus kritisch, da er festgestellt hat, dass die Mitglieder eines Teams – ähnlich wie beim „Groupthink“ – sich auch hinsichtlich des Arbeitseinsatzes gerne hinter den anderen verstecken.
Ein schönes Beispiel ist auch die Schuld-Umverteilung, bei der z. B. Geschäftsführer und Vorstände – und nicht nur die! – Erfolge gerne auf ihre herausragenden Fähigkeiten, Misserfolge jedoch auf den Markt, die Mitarbeiter oder die Konkurrenten zurückführen. Auch die falsche Interpretation von – zufälligen – Korrelationen ist nicht auszurotten, zumal sie immer in Richtung des Wunschdenkens angewendet wird. Als Beispiel dient ihm hier das berühmte Beispiel der wachsenden Storchpopulation, die mit einer Erhöhung der Geburtenrate einhergeht: QED! Leider trifft man solch falsche Kausalitäten auch in viel realistischerem und weniger witzigem Kontext an.
Diese kleine Auswahl von typischen Fehlschlüssen, Gedankenträgheit und Wunschdenken soll die Art und Weise beleuchten, wie Dobelli an das alltägliche Denken der Menschen herangeht. Dabei versucht er, soweit möglich, jeden Fall auf bestimmte angeborene Instinkte zurückzuführen, die in der Zeit der Jäger und Sammler einmal eine Überlebensrolle gespielt haben. Bei seinem Paradebeispiel reflektierte der Steinzeitmensch nicht ausgiebig, ob das Tier am Waldrand wirklich ein Säbelzehntiger oder vielleicht nur ein Wartzenschwein sei. Er rannte davon. Viele unserer Denk- und Reaktionsgewohnheiten sind auf solche archaischen Muster zurückzuführen. Heute jedoch geht es in den meisten Alltagssituationen nicht mehr darum, durch eine blitzschnelle, quasi automatische Reaktion das Überleben zu sichern, sondern heute sind Nachdenken und Abwägen gefragt.
Dobelli verbindet die kurzen Beschreibungen und Erklärungen bestimmter Denkmuster stets mit einem aufklärerischen, fast pädagogischen Zug. Man merkt ihm an, dass er nicht nur unterhalten sondern auch Änderungen bewirken möchte. Das tut er in einem lockeren, stets humoristischen Ton, der jedoch nie platt wird. Man merkt seinen Essays an, und er gibt es auch des Öfteren ausdrücklich zu, dass er selbst viele dieser Denkfehler bei sich erkannt hat und sie mühsam abstellen musste. Die schlechten Erfahrungen, die stets mit soclhen Denkfehlern verbunden sind, möchte er seinen Lesern ersparen.
Da das Buch genau 52 Essays enthält, bietet es sich an, sich für jede Woche des Jahres einen Essay vorzunehmen, seine Relevanz für das eigene geschäftliche und private Leben zu prüfen und bei Bedarf die entsprechenden Konsequienzen zu ziehen. Auf geht´s!
Das Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ ist im Hanser-Verlag unter der ISBN 978-3-446-42682-5 erschienen, umfasst 246 Seiten und kostet 14,90 €.

Frank Raudszus
 

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