Michael Quast und Sabine Fischmann geben beim Rheingau-Musik-Festival „Fledermaus à trois“

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Sabine Fischmann und Michael Quast
Satire, Witz, Kalauer und fescher Gesang – kompakt kredenzt

Michael Quast und Sabine Fischmann geben beim Rheingau-Musik-Festival „Fledermaus à trois“
Nach der erfolgreichen Verdichtung von Mozart-Opern und Offenbach-Operetten hat der Musik-Komiker Michael Quast sich jetzt einem weiteren bekannten Bühnenwerk gewidmet. Zusammen mit Sabine Fischmann, mit der zusammen er bereits den „Don Giovanni“ neu gedeutet hatte, hat er jetzt Johann Strauss´ Operette „Die Fledermaus“ für die Kleinkunstbühne aufbereitet. Als Dritter im Bunde wirkte dabei Markus Neumeyer, der nicht nur am Flügel ein Orchester nachbilden musste sondern hin und wieder auch gesanglich auftrat. Die Präsentation dieser neuen Inszenierung fand an einem warmem Sommerabend auf dem Weingut „Domäne Rauenthal“ im Rheingauer Eltville statt. Die sommerliche Hitze, deren Reste noch den ganzen Abend anhielten, war dabei für die Zuschauer angenehm, für die Darsteller auf der Bühne und unter den Scheinwerfern dagegen eine Herausforderung, wenn nicht eine Qual. Diese mussten an diesem Abend alles geben, denn die komisch-kompakte Version dieser Operette verlangt wesentlich mehr Stimmeinsatz als das Original, müssen doch beide Darsteller multiple Rollen spielen, und das über die meiste Zeit gleichzeitig. Dazu kommt die komisch gesteigerte Art zu singen, die jegliche Emotion überspitzt, das heißt mit mehr Inbrunst, Lautstärke und Länge darbietet. Michael Quast litt an diesem Abend zusätzlich unter einem anderen Handicap: er hatte sich zwei Tage vorher einen Muskelfaserriss im Bein zugezogen und musste jetzt weitgehend im Sitzen agieren, wobei er die sonstige Beinarbeit in die Arme verlagerte. Doch meisterte er diese unvorhergesehene Schwierigkeit bravourös und schwenkte des öfteren seine Krücke durch die Luft.

Die „Fledermaus“ eignet sich für eine komische Überspitzung hervorragend, enthält sie doch auch so schon ein reiches Potential an WItz und Satire. Die Geschichte des lebenslustig-halbseidenen Dr. Eisenstein, der sich eine Nacht mit einem russischen Fürsten und jungen Balletteusen amüsiert statt im Gefängnis einzusitzen, liefert mehr als genug Munition für ein satirisches Scharmützel erster Güte. Dazu kommen Melodien, von denen man nicht weiß, ob ihre Schmissigkeit sie hat berühmt werden lassen oder ob man sie wegen ihrer Berühmtheit automatisch für schmissig hält. Auf jeden Fall übt der Wiedererkennungseffekt beim Anhören seine ungebremste Wirkung aus, und ein ums andere Mal lacht das Publikum in einer fast seligen „Aha“-Reaktion auf. Michael Quast und Sabine Fischmann tun allerdings auch alles, um diesen Moment jeweils auf die Spitze zu treiben. Ob es nun „Selig ist, wer vergisst“ oder die berühmte Arie der Adele ist: jedes Mal verzögern die beiden Künstler den Einsatz um gerade die Sekundenbruchteile, die für das Publikum die spannende Frage aufwerfen, was denn jetzt kommt. Zwar kennt jeder die berühmten Arien, aber man weiß doch nicht so genau, wann sie kommen. Michael Quast und Sabine Fischmann spielen virtuos auf diesem Klavier der Erwartungen und bedienen diese dann auch mehr als ausreichend. Mimik, Gestik und Gesang überspitzen den Ausdruck des jeweiligen Gesangsstücks, und Sabine Fischmann rafft auch schon einmal den Rock, um die erotischen Avancen der Adele und anderer weiblicher Personen zu verdeutlichen.

Daneben setzt vor allem Sabine Fischmann auch ihr schauspielerisches Talent ein, während Quast mehr oder minder seinem bekannten Komiker-Profil treu bleibt. Quast parodiert gerne Tenöre und andere Sänger mit ihren Macken wie das „eingeschobene „A“ vor Konsonanten und lässt bei manchen sängerischen Höhepunkten auch gern die Zunge mitträllern. Auch die typischen Künstlerallüren – Singen von der Rampe, Einforderung des Beifalls, Übertreiben der Emotionen – parodiert er geradezu mit Begeisterung. Sabine Fischmann dagegen kann auch andere Töne anschlagen und Charaktere darstellen. Sie spielt neben den typischen Frauenrollen gerne die dumpfen Typen – etwa den Gefängnisdirektor Frank – mit eingezogenem Kinn, rollenden Augen und dumpfer Stimme. Dabei wird aus dieser ansehnlichen Frau plötzlich ein richtiger Kotzbrocken mit widerlich arrogantem Wiener Vorstadt-Tonfall. Und binnen Sekunden wandelt sie sich zur naiv-koketten Adele oder zur reifen Rosalinde mit abgeklärter Eifersucht und zweiter Erotik-Blüte.

Zwei Akte lang wirbelten die beiden gestisch und stimmlich auf der Bühne, wobei das Fest bei dem Fürsten Orlowsky mit all den Verwirrungen und Verwechslungen den Höhepunkt darstellte. Dann jedoch kam – nach der Pause – die lange Gefängnis-Szene. Da diese auch im Original über eine lange Zeit als reines Sprechtheater – will sagen Klamotte – abläuft, mussten sich die beiden Protagonisten auf der Bühne etwas einfallen lassen, denn reines Sprechtheater auf einer Kleinkunstbühne kann leicht in ermüdenden Längen enden. Daher hatte sich Michael Quast für den Gefängniswärter Frosch – eine Knallcharge par excellence – eine Puppe à la Sesamstraße besorgt, die mit grüner Uniform aus einem Koffer aufstieg und mit breitem Maul freche, bösartige und unflätige Meinungen von sich gab. Die ganze lange – und auch im Original teilweise zähe – Szene musste nun dieser arme Kerl aus dem Koffer durchstehen und zum Erfolg bringen. Das gelang natürlich nur teilweise, weil der Witz der Puppe rasch verflogen ist und ein breit-freches Maul nicht ewig hält. Also hatte sich Quast den weiteren Gag einfallen lassen, in einer Art Selbstreferenz den fiktiven Rahmen zu verlassen und die Puppe Frosch plötzlich die Schauspielerin Fischmann als solche anzusprechen, angeblich nicht verstehend – als Gefängniswärter Frosch – wieso ein Mensch gleich mehrere sein kann. In dieser Phase geriet die Vorführung ein wenig aus den Fugen, und man wusste zeitweise nicht mehr, was einstudierte Inszenierung und was Quastsche Improvisation war. Ja, die frech-frivolen Anwürfe der Frosch-Puppe schienen zeitweise einer momentanen Improvisation zu entspringen, die auf der Gegenseite eine gewisse Irritation und dann Aggression hervorrief. Jedenfalls schickte Sabine Fischmann den „Puppen-Frosch“ mit einer eindeutigen Ansage in die Versenkung – kurze Bedenkpause. Natürlich kann das alles bewusst geplant gewesen sein, aber der Rest eines Verdachtes richtet sich auf eine atmosphärische Störung zwischen den beiden Hauptdarstellern.

Wie dem auch sei: am Schluss des dritten Aktes setzte die Musik wieder ein, und die beiden Darsteller mussten wieder mit allen Stimmbändern und sonstigen Hilfsmitteln der Mimen die zahlreiche Personnage des letzten Aktes darstellen. Noch einmal kam die mimische und stimmliche Komik zum Einsatz und riss das Publikum von den Bänken. Am Schluss spendete das Publikum begeisterten Beifall, denn hier erlebte man die „Fledermaus“ mal auf ganz andere Weise, konnte einfach lachen und war auch dem Kalauer – „blaue Eiche“ und „gelbe Buche“ als erste Versuche von Rosalinde! – nicht böse. Bei dieser Großzügigkeit einer eher geradlinigen Variante des Humors gegenüber spielten sicher auch die hervorragenden Cocktails dier Weingüter eine Rolle, die Sekt, Wein und verschiedene Kräuter zu ausgesprochen süffigen Mixturen kombinierten.

Wieder einmal hatte das Duo Quast-Fischmann die Besucher des Rheingau-Musik-Festivals begeistert.

Frank Raudszus     

 

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