Kammermusik vom Feinsten – in internationaler Zusammenarbeit
Das „Moritzburg-Festival“ ist mit Rossini, Beethoven und Schubert zu Gast beim Rheingau-Musik-Festival
Seit dem Jahr 2001 finden auf der sächsischen Moritzburg jährliche Kammermusik-Festivals statt, die sich im Laufe der letzten zehn Jahre dank ihrer hohen Qualität einen festen Platz im internationalen Musikbetrieb erspielt haben. In diesem Jahr kamen fünf Kammermusiker, die dort bekannte Werke vorgetragen hatten, im Anschluss an das Festival in den Rheingau, um bei dessen Musik-Festival aufzuspielen. Im Metternich-Saal von Schloss Johannisberg traten am Abend des 22. August die Chinesin Mira Wang (Violine), der Norweger Lars Anders Tomter (Viola), der „spiritus rector“ des Moritzburg-Festivals Jan Vogler (Violoncello) sowie die Finnen Janne Saksala (Kontrabass) und Antti Siirala (Klavier) in verschiedenen Zusammensetzungen auf. Die Mischung aus erfahrenen Musikern und jungen Nachwuchstalenten, die allerdings bereits dem Bereich der „Talente“ seit längerem entwachsen sind, kann man als Glücksfall für die Kammermusik betrachten, denn die fünf Musiker boten an diesem Abend ein ausgesprochen sorgfältig gestaltetes Programm.
Am Anfang stand ein eher ungewöhnliches, fast skurriles Werk. Giacchino Rossinis Duo D-Dur für Violoncello und Kontrabass ist für zwei Instrumente komponiert, die man für gewöhnlich wegen ihrer tiefen Stimmlagen eher für Begleit- und Rhythmuszwecke einsetzt. In diesem dreisätzigen Werk übernehmen sie jedoch beide thematische und begleitende Funktionen, wobei das Violoncello bei der melodischen Durchführung dominiert. Beide zusammen erzeugen ein eigenartiges Klangbild aus satten, tiefen Tönen, das zeitweise wie der Gespräch zweier älterer Männer wirkt. Wie bei einem Duo nicht anders zu erwarten, verlaufen viele Passagen als Dialog in einer Art Frage-Antwort-Spiel, das zeitweise fast humoristische Züge annimmt. Dieser Aspekt ist bei Rossini durchaus nicht unbekannt. Besonders fallen die schöne Kantilene des Cellos im zweiten sowie der frische tänzerische Schwung im dritten Satz auf. Man spürte förmlich die Spielfreude, mit der die beiden Musiker dieses etwas ausgefallene Werk vortrugen.
Danach traten Mira Wang und Lars Anders Tomter hinzu, während Janne Saksala das Podium verließ. Das Trio stellte Ludwig van Beethovens Streichtrio G-Dur, op. 9 Nr. 1 vor. Dieses frühe Werk aus dem Jahr 1798 lebt von einer ganzheitlichen Frische, die noch nicht von Beethovens Taubheit und der Radikalität seiner späten Jahre gekennzeichnet ist. Den ersten Satz trugen die drei Musiker in einem gesanglichen, fast intimen Stil vor und verzichteten auf jegliche Forcierung. Vor allem achteten sie auf die Transparenz der Stimmen und die Ausgewogenheit des musikalischen Ausdrucks. Der zweite Satz, ein Adagio, brachte dann deutlich mehr zum Ausdruck als nur Lyrik. Hier schien eine typische Beethovensche Welt hinter dem Lieblichen auf, die jede Sentimentalität im Keim erstickte und allein mit harmonischen und motivischen Mitteln eine Atmosphäre herbeizauberte, die über die Musik hinausging. Das Scherzo des dritten Satzes dagegen kam frisch und spritzig daher, wie es dieser Gattung zukommt. Doch selbst hier vermieden die drei Musiker jegliche heroische Geste und beließen es bei einer zwar temperamentvollen aber nie überzogenen Interpretation, bei der die Durchlässigkeit der Stimmen im Vordergrund stand. Im Finalsatz konnten die Mitglieder dieses Trios ihre technische Perfektion zeigen und ausspielen.
Das Presto beginnt gleich in hohem Tempo und geht dann in viele enge, schnelle Läufe über, bei denen alle drei Musiker ihr Können an ihrem jeweiligen Instrument zeigen konnten. Hervorzuheben war hier vor allem der feine Strich der jungen Mira Wang, die ihrer Stradivari aus dem Jahr 1708 bei jedem Tempo feine und stets höchst exakte Töne entlockte. Die Violine schwebte sozusagen klanglich über dem Geschehen, ohne sich jedoch dem Ensemble in irgendeiner Weise zu entziehen. Dabei standen ihr Lars Anders Tomter und Jan Vogler mit einem zupackenden und dennoch stets dem musikalischen Gedanken verpflichteten Spiel zur Seite, so dass sich ein geschlossenes, homogenes Klangbild ergab, das den Charakter dieses Werks überzeugend zum Ausdruck brachte. Starker Beifall verabschiedete das Trio in die Pause.
Als letztes Stück des Abends erklang Franz Schuberts „Forellenquintett“, eines der wohl bekanntesten Kammermusikstücke (nach „Pour Elise“), als Gemeinschaftswwerk aller fünf Musiker. Schon die Fünfsätzigkeit hebt dieses Werk aus der Masse der Kammermusik heraus. Im ersten Satz nahm Antti Siirala die Herausforderung an, das in der führenden Position des Klaviers bei diesem Werk liegt. Das Problem dabei liegt darin, diese Führungsaufgabe nicht als Dominanz misszuverstehen, denn der Klavierpart ist bereits im ersten Satz recht voluminös und kann auf einen Pianisten verführerisch Wirkung ausüben. Doch Antti Siirala bewegte sich souverän auf dem schmalen Grat zwischen Führung und Dominanz und ließ dadurch seinen Mitspielern ausreichend Raum zur Entfaltung. Die zweite Hälfte dieses Kopfsatzes zeichnete sich durch einen intensiven Sopannungsbogen aus, den nicht zuletzt der Flügel aufrecht erhielt.
Im Andante des zweiten Satzes nahm sich Antti Siirala am Klavier stark zurück und zeigte bei der Interpretation viel Feingefühl, so dass die Streicher viel Raum für die Legato-Ausgestaltung dieses Satzes erhielten. Der dritte Satz mit seinem kräftigen, aufwärts führenden Anfangsmotiv brachte wieder Temperament und tänzerischen Charakter in die Interpretation und wirkte wie ein Weckruf für den vierten Satz, der dem Werk den Namen gegeben hat. Hier taucht zum ersten Mal das Forellen-Motiv („Die lustige Forelle…“) auf und wird anschließend auf den einzelnen Instrumenten in verschiedenen Variationen verarbeitet. Dabei achtete das Ensemble auf eine ebenso kontrrastreiche wie individuelle Ausgestaltung der einzelnen Variationen. Jede war ein kleines, abgeschlossenes Musikstück für sich, und die Instrumente schienen dabei klanglich zu leuchten.
Den Finalsatz begann das Quintett wiederum verhalten, um dann langsam Tempo wie Intensität zu steigern, wobei jedoch stets das Maß gewahrt wurde. Auch dieser Satz nimmt Schuberts ewiges Motiv des ruhelosen Wanderns auf, das zwar zuweilen Ratlosigkeit und leise Verzweiflung, jedoch nie Aufbegehren und offenen Protest ausdrückt.
Das Publikum bedachte die Leistung des Ensembles an diesem Abend mit so kräftigem Beifall, dass dieses das Scherzo des Forellenquintetts als Zugabe noch einmal präsentierte – und dafür noch einmal stürmischen Beifall erntete.
Frank Raudszus
No comments yet.