Eine Verneigung vor Ella Fitzgerald
Die Jazz-Sängerin Patti Austin singt beim Rheingau-Musik-Festival große Songs von Ella Fitzgerald
Ella Fitzgerald war die wohl bedeutendste und bekannteste Jazz-Sängerin des 20. Jahrhundert, ja, sie hat diese Gattung eigentlich erst groß gemacht und zur Anerkennung gebracht. Patti Austin, eine ihrer Nachfolgerinnen, ist selbst bereits Anfang sechzig und Patenkind einer anderen Jazz-Sängerin, nämlich Dinah Washington. bereits mit vier Jahren stand sie auf der Bühne, und nur die amerikanischen Kinderschutzbestimmungen setzten einem früheren Karrierebeginn Grenzen.
In ihrem Programm „From Ella to Gershwin“ setzte sie am 4. August zwei Größen des amerfikanischen Musiklebens des letzten Jahrhunderts ein Denkmal: dem Songtexter und Komponisten George Gershwin und der großen Sängerin Ella Fitzgerald, die unter anderen Gershwins Songs zum Erfolg verhalf. Das Wetter hatte an diesem Abend eines ansonsten missglückten Sommers ein Einsehen und spendete bis in die späteren Abendstunden Sonne und Wärme, so dass das Konzert wie vorgesehen im Wiesbadener Kurpark hinter dem Kurhaus stattfinden konnte.
In knapp zwei Stunden ohne Pause – was der Wirkung zugute kam – präsentierte Patti Austin nicht nur über ein Dutzend berühmter Songs sondern gab auch im Stile einer begnadeten Entertainerin Geschichte aus dem Leben von Ella Fitzgerald zum Besten. Wer hätte denn gewusst, dass Ella Fitzgerald als Halbwüchsige obdachlos auf der Straße lebte und sich ihren Lebensunterhalt bei Tanz- und Singwettbewerben verdiente? Und wer hätte gewusst, dass sie sich eigentlich für eine Tänzerin hielt und sich bei einer Talentshow nur wegen offensichtlicher Chancenlosigkeit für einen Gesangsvortrag entschied – um prompt den ersten Platz zu ersingen? Das auf- und abwogende Leben ihres großen Vorbildes schilderte Patti Austin nicht nur mit bewegten und humoristisch gefärbten Worten, sondern untermalte es auch mit den passenden Songs, etwa „The man I lopve“, wenn sie auf Ellas unglückliche Beziehungen zu Männern anspielte, oder „The songs of love“, der Ellas Bezug zu diesem zentralen Thema verdeutlichte. Mit „Mr. Paganini“ kam gleich zu Beginn einer von Ella Fitzgeralds bekanntesten Liedern zu Gehör, und ihren ungebrochenen Lebensmut brachte das trotzig-coole „Start all over again“ treffend zum Ausdruck. Mit „A Tisket, a Tasket“ beleuchtete Patti Austin auch die humoristische Seite von Ella Fitzgreald; „Miss Otis regrets“ besingt die Leiden verschmähter bzw. unerwiderter Liebe, während „Hard Headed Hannah“ eher eine Liebeserklärungan die kämpferische Frau darstellt, die sich nichts gefallen lässt und „zurückschießt“.
Als besondere Hommage an Ella Fitzgerald und den berühmten Jazz-Musiker Duke Ellingten – „Ella & Elli(ngton)“ – trug Patti Austin den Klassiker „Satin Doll“ vor. Wie bei den meisten ihrer Lieder wählte sie jedoch auch bei diesem aus der Swing-Ära stammenden Stück eine eher ruhige, fast melancholische Vortragsart. Patti Austin kann zwar auch expressiv und tempogeladen singen, doch ihre Vorliebe gilt offensichtlich den getragenen Balladen, mit denen sich Melancholie, Einsamkeit und Sehnsüchte aller Art wesentlich besser ausdrücken lassen als mit swingenden Stücken. Vor allem die letzten vier Stücke, angefangen bei dem eindringlich und sehnsüchtig vorgetragenen „The man I love“, gefolgt von „They can´t take that away from me“, „Stairway to Paradise“ und „How do you keep the music playing?“, betonten alle dieselbe traumverlorene, fast entsagenden, still hoffende Stimmung. Bei aller stimmlichen Fülle und sängerischen Souveränität hätte ein wenig mehr Schwung dem Konzert jedoch gut getan. Die dichte Folge getragener, sehnsuchtsvoller Balladen schien die Zuhörer zum Ende hin doch etwas zu ermüden.
Dennoch spendete das Publikum im fast ausverkauften Kurpark ihr und der der dreiköpfigen Band – Olaf Polziehn am Flügel, Christian von Kaphengst am Bass und Peter Lübke am Schlagzeug – kräftigen Beifall, so dass Patti Austin um eine Zugabe nicht herumkam. Sie präsentierte silbenbetreu ein besonders schwieriges Stück von Ella Fitzgerald, das diese wiederum einem Solo von Charly Parker notengetreu nachgebildet hatte: „How high´s the Moon“, nun auch zum Abschluss mit Tempo und Verve.
Frank Raudszus
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