Das Fritz-Remond-Theater in Frankfurt spielt „Loriots dramatische Werke“

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Der Lottorentner Erwin Lindemann und das Fernsehteam

Der ganz natürliche Wahnsinn des Alltags  

Das Fritz-Remond-Theater in Frankfurt spielt „Loriots dramatische Werke“
Die älteren Leser unserer Online-Zeitung werden noch die Serie von Sketches aus den 80er Jahren kennen, in denen Vicco von Bülow, besser unter seinem Künstlernamen „Loriot“ bekannt, die kleinen Psychokriege und Kalamitäten des Alltags, vornehmlich des ehelichen, aufspießte. Seit nunmehr fast zwanzig Jahren ist es im Fernsehen ruhig um den großen Humoristen geworden, der letztes Jahr im Alter von 88 Jahren starb. Das Fritz-Remond-Theater im Frankfurter Zoo hat jetzt ausgewählte Sketches auf die Bühne gebracht und bewahrt somit den Humoristen Loriot vor der Vergessenheit.

Heiratsantrag mit NudelIn Loriots humoristischen Szenen geht es immer um den lebensunsicheren Menschen, der verzweifelrt versucht, Struktur in sein Leben zu bringen, doch meist an der gestörten Kommunikation mit seinen Mitmenschen scheitert. Dabei ist nicht eine böse Umwelt an seinem Scheitern schuld, sondern die eigene Unvollkommenheit. Doch diese zeigt Loriot auf eine Weise, dass man dem oftmals überforderten Menschen nicht böse sein kann.

Im Mittelpunkt steht oft das ältere Ehepaar, das sich aneinander abgerieben hat, aber immer noch für kleine Zurechtweisungen und Seitenhiebe gut ist. Man lebt seit langem aneinander vorbei. merkt aber weder das noch, dass auch die Welt weitergegangen ist. Zu diesen Sketches gehört der Besuch bei der Eheberaterin, der an dem Unverständnis des Paares scheitert, das seine eigene kleine Wirklichkeit gegen die der Therapeutin setzt. Oder die Szene an der Theaterkasse, bei der das Ehepaar nicht versteht, dass das gewünschte Stück nicht an dem Wunschtermin läuft oder ausverkauft ist, und damit ein heilloses Durcheinander an der Kasse und in der Schlange ungeduldiger Theatergänger erzeugt. Unvergessen und ein Höhepunkt Loriotschen Schaffens ist der Heiratsantrag des älteren Herren an die geliebte Frau, wobei während seines wortreichen Werbens eine einsame Spaghettinudel durch sein Gesicht wandert.

Doch auch die ehelichen Wechselfälle in jüngeren Jahren kommen zur Sprache, so die ewige, schon sprichwörtliche Verspätung der sich schön machenden Ehefrau vor einer abendlichen Einladung, bei der am Schluss der Mann der Schuldige und sie das Opfer ist. Oder der andere Klassiker: der Mann streckt sich auf dem Sessel aus, um zu entspannen, als seine Frau ihn aus der Küche fragt, was er mache, um ihn dann ihn eine geradezu kafkaeske Diskussion zu ziehen, die trotz aller Friedfertigkeit des Mannes in einem Schreikrampf endet.

Die Szene mit dem Konzertbesucher, der die ersten Reihen durch seine Naivität und freundliche Unverforenheit nervt, eröffnet den Abend, wobei sich eine Spiegelsituation ergibt, da über längere Zeit die Darsteller auf der Bühne genau das machen wie die eintreffenden und ihre Plätze suchenden Gäste. Nur dass diese – normalerweise – nicht so nerven wie der Ungklücksrabe auf der Bühne.

Den grotesken Schluss bildet die Szene mit dem Rentner Erwin Lindemann, der im Lotto gewonnen hat und den das Fernsehen nun mit großem Tamtam interviewt. Die großspurigen und eine intensive Unruhe verbreitenden Medienleute verwirren den älteren Herren derart, dass er seinen gesamten Text gründlich durcheinanderbringt und damit das Fernsehteam zur Verzweiflung und die Zuschauer zum Lachen treibt.

Dazwischen folgt in einem intensiven humoristischen Schlagabtausch eine Szene nach der anderen, insgesamt etwa zwanzig, die jede auf ihre Weise eine menschliche Schwäche oder eine peinliche Situation beschreiben. Zu lachen gibt es an diesem Abend viel, obwohl man die armen Hauptpersonen der einzelnen Sketches eigentlich bedauern müsste. Aber man freut sich halt so sehr darüber, dass einem diese Peinlichkeiten nicht selbst passieren. Hoffentlich.

In der Hauptrolle glänzt Gunnar Möller als „Wiedergeburt“ von Vicco von Bülow. fast meint man, den großen Humoristen selbst wieder auf der Bühne zu sehen. Neben ihm besetzt Christiane Hammacher die weibliche Hauptrolle, die einst die ebenfalls zu früh verstorbene Evelyn Hamannn gespielt hat, mit demselben scheinbaren Unverständnis der Welt und der Männer. In den anderen Rollen zeigen weitere sieben Darsteller, dass sie das Handwerk des Humoristen von der Pike auf gelernt haben.

Frank Raudszus    

 

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