Mit Flöte, Cello und Klavier durch zwei Jahrhunderte
Das 5. Kammerkonzert des Staatstheaters Darmstadt gestaltet ein Schweizer Trio
Bei der letztjährigen Pressekonferenz zum Programm 2012/13 kündigte GMD Martin Lukas Meister halb scherzhaft an, dass er als Schweizer nicht nur verstärkt Musik mit alpinem Bezug bieten sondern auch die Musiker seiner Schweizer Heimat berücksichtigen würde. Mit dem 5. Kammerkonzert am 31. Januar hat er diese Ankündigung in die Tat umgesetzt, wobei sich das Ensemble vollständig aus der Republik der Eidgenossen rekrutierte. An der Flöte brillierte an diesem Abend Sarah Rumer aus Zürich, das Cello strich Joël Marosi, ebenfalls aus Zürich, und am Flügel saß an diesem Abend der Dritte im Bund der Züricher, Ulrich Koella.
Diese drei international renommierten Musiker präsentierten vor der Pause verschiedene Stücke für Klavier, Flöte und Cello französischer und Schweizer Komponisten des frühen und späten 20. Jahrhunderts und beschlossen das Konzert mit einem Trio von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Für (fast) jeden Musikgeschmack war also etwas dabei.
Den Beginn machte Claude Debussys Sonate für Violoncello und Klavier aus dem Jahr 1915. Der „Lent“ überschriebene „Prologue“ eröffnet diese Komposition mit elegischen Passagen, setzt sich episodenhaft fort und verklingt schließlich mit feinsten Klängen. Der zweite Satz, „Serenade“ genannt, beginnt mit Pizzicati des Cellos, schwingt sich dann zu einem expressiven Mittelteil auf und besticht vor allem durch die minimalistischen Klangfiguren beider Instrumente. Der dritte Satz schließt sich im „attacca“-Modus nahtlos an und lebt von seinen feurig bewegten Motiven. Anfangs übernimmt das Cello die Führung, das Klavier begleitet eher dezent, dann aber zieht der Pianist gleich und setzt mit expressivem Spiel deutliche Akzente. Der fast spektakulär zu nennende Schluss besteht aus einer markant angeschlagenen Klaviertaste und einem ebenso resoluten Cellostrich. Debussys Musik besticht vor allem durch ihre fast somnambule Harmonik, die sich von den herkömmlichen Schemata löst und damit eine ganz eigene, schwebende und von allem Diesseitigen enthobene Atmosphäre schafft. Die beiden Musiker brachten diese ganz spezifische Stimmungslage mit ihrem zurückhaltenden, fast distanzierten Spiel, das dem introvertierten Charakter von Debussys Musik entgegenkam, überzeugend zum Ausdruck.
Danach spielten die Flötistin Rumer und Ulrich Kaello zwei Stücke des Debussy-Freundes André Caplet. Die „Rêverie“ („Träumerei“) ist ein einsätziges und eingängiges Stück im spätromantischen Stil mit tonalem Charakter, bei dem die beiden Instrumente im Wechselspiel ein verträumtes Thema interpretieren. Den „Petite Valse“ zeichnen dagegen eher extrovertierte Züge, eine lebendige, freie 3/4-Metrik und sehnsuchtsvolle Passagen aus. Sara Rumer und Ulrich Koella verliehen diesen beiden kurzen Stücke mit viel musikalischem Gespür einen überzeugenden emotionalen Ausdruck.
Die Ballade für Klavier und Flöte des Schweizer Komponisten Frank Martin setzte diese Instrumentenkonstellation fort. Nach einem etüdenhaften Beginn fallen vor allem die reibenden Klänge im Klavierpart auf, das nach einem längeren Flötensolo noch einmal zu einem expressiven und heftig bewegten Auftritt kommt. In diesem einsätzigen Stück konnten beide Musiker ihre technische Perfektion beweisen.
Am Ende des ersten Programmteils stand das im Jahr 1995 entstandene Trio für Flöte, Violoncello und Klavier des Franzosen Jean Françaix. Der erste Satz beginnt tänzerisch erst mit der Flöte, dann mit dem Cello. Im zweiten Satz, „Teneramente“ überschrieben, überwiegen die getragenen Tempi. Dafür kommt das Scherzando des dritten Satzes leichtfüßig huschend daher. Die komplexe Rhythmik erzeugt einen ausgesprochen emphatischen Charakter. Das Allegro-Finale beginnt elegisch, belebt sich dann und und lebt vor allem von seinem ausgefallenen, fast südamerikanischen Rhythmus. Erstaunlich ist der für eine so junge Musik hohe Grad der Tonalität. Man könnte dieses Stück problemlos dem frühen 20. Jahrhundert zuschreiben, eine Tatsache, die dem Komponisten von Puristen der modernen Musik auch Kritik einbrachte. Die drei Musiker jedoch zeigten mit der Interpretation dieses Trios, dass man auch heutige Musik hörbar und mit viel Spielfreude interpretieren kann, ohne dass dies nur über den Kopf erfolgen muss.
Nach der Pause kam das bekannte Trio Nr. 1. d-Moll für Flöte bzw. Violine, Violoncello und Klavier von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu Gehör. Hier leuchtete musikalisch das 19. Jahrhundert mit seinen romantischen Zügen auf. Mendelssohn war insofern ein Ausnahmemusiker seiner Zeit, als seine Kompositionen nicht Schwere, Sehnsucht oder Wehmut verbreiten sondern eher Heiterkeit und Lebensfreude. Das beginnt in diesem Trio schon im ersten Satz mit den beiden markanten Themen, die immer wieder emotional auftrumpfend erscheinen, mal in der Flöte, mal im Cello und mal im Klavier. Der zweite Satz hört sich anfangs wie ein „Lied ohne Worte“ an, zumal nur vom Klavier vorgetragen. Danach entwickelt sich dieser Satz zu einem ausdrucksstarken Andante. Das Scherzo des dritten Satzes irrlichtert geradezu durch die Instrumente und erinnert vor allem am Ende unverwechselbar an den „Sommernachtstraum“. Der vierte und letzte Satz schließlich besticht durch sein markantes, absteigendes Thema, das die beiden kantablen Instrumente in verschiedenen Variationen vortragen und das von dem zupackenden Klavier dauernd umkreist wird.
Mit diesem Stück präsentierte das Schweizer Trio einen gelungen Abschluss eines komplexen und vielseitigen Abends. Alle drei zeigten auf ihren Instrumenten technische Perfektion und spielten sich vor allem in die introvertierten Stücke des ersten Teils mit hoher Konzentration hinein. Da war das lebendige Trio zum Schluss auch für die Musiker fast eine Entspannung.
Das Publikum zeigte sich außerorderntlich angetan von diesem Programm und spendete soviel Beifall, dass das Trio noch eine Zugabe von Carl Maria von Weber spielte.
Frank Raudszus
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