Julia Franck: „Bauchlandung“

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Acht Kurzgeschichten über Liebe, Sex und Einsamkeit

Julia Franck, 1970 in der damals noch existierenden DDR geboren, hat ihren literarischen Durchbruch mit dem Roman „Mittagsfrau“ im Jahr 2007 geschafft. Davor hatte sie jedoch schon einige Bücher veröffentlicht, die allerdings nur Insidern bekannt waren. Dazu gehört auch die Kurzgeschichtensammlung „Bauchlandung“, die im Jahr 2000 erschien. In diesem kleinen Band hat Julia Franck acht kurze Szenen beschrieben, die sich alle auf unterschiedliche Weise mit menschlichen Beziehungen beschäftigen. Dabei sind diese Beziehungen bei Julia Franck nie von großen Emotionen geprägt, wie man es von vielen Bestsellern kennt, sondern sie zeigen eher gebrochene Charaktere, die sich zurückziehen, weil sie auf die eine oder andere Art Angst vor den Verletzungen in einer engen Beziehung haben. Allen Kurzgeschichten in diesem Band ist die Distanz der jeweiligen Protagonistin zu ihrer Umwelt gemein. Dabei beobachtet die jeweils weibliche Heldin, die verschiedene Altersstufen vom jungen Mädchen bis zur erwachsenen Frau durchläuft, ihre Umwelt sehr genau und ohne jegliche Illusionen.

Da ist einmal die Schwester einer lebenslustigen jungen Frau, die erste sinnliche Erfahrungen – eher Vorstellungen denn tatsächliche Ereignisse – mit den Liebhabern ihrer Schwester macht, wobei sie ein Wechselbad der Gefühle durchläuft. In der „Zugfahrt“ muss sie als junge Frau ein Zugabteil mit unterschiedlichen Reisegenossen teilen, die ihr auf ihre jeweils eigene, aber stets desillusionierende Weise die Lust auf nähere Bekanntschaften nehmen und ihre Einsamkeit noch vergrößern.

Im „Strandbad“ steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die ein anspruchsvolles Studium grundlos abgebrochen hat und sich in die einfache Stellung einer Bademeisterin zurückgezogen hat. Von dort beobachtet sie – fliehend nur – die Besucher des Strandbads und stellt vor allem über die Männer Überlegungen an, die bis hin zu erotischen Phantasien reichen. Doch zu entsprechenden Handlungen kommt es nie.

Wenn das kleine Mädchen in „Streuselschnecken“ sich von einem Mann ansprechen und ausführen lässt, vermutet der Leser Kindesmissbrauch oder Ähnliches. Die Pointe im letzten Satz gibt dem Ganzen jedoch einen ganz anderen, fast tragischen Dreh.
In „Für sie und  für ihn“ schaut eine junge, wieder einmal einsame Frau ihrem Nachbarn in die Fenster und bezieht daraus so etwas wie Leben, das sie wiederum mit anderen teilen muss. Auch hier setzt die Autorin an den Schluss noch eine fast bittere Pointe.

Dagegen verarbeitet sie in „Schmeckt es Euch nicht“ offensichtlich familiäre Erlebnisse, auch wenn sie generell betont, dass die Wirklichkeit nur Ideengeber für ihre Geschichten war. Doch zu treffend sind gewisse verwandschaftlicjhe Beziehungen hier dargestellt, als dass sie nur der Phantasie entsprungen sein könnte.

Dagegen wirkt „Der Hausfreund“ fast witzig, wobei der Leser bis zum Schluss nicht weiß, ob Kinder hier Zeugen eines Ehebruchs oder einer Republikflucht werden. Vielleicht beides. Den Schluss bildet dann eine böse Dreiecksgeschichte, in der die Protagonistin ihre verlassene Freundin tröstet und dabei fast in Scham versinkt.

Julia Franck hat in diesen Geschichten die Befindlichkeit von jungen Menschen mit Bindungs- und Verlustängsten beschrieben. Das mag Verweise auf ihre eigene Biographie enthalten, doch sicher gibt es viele ähnliche Fälle – etwa Scheidungskinder -, in denen junge Menschen erhebliche Probleme haben, Beziehungen aufzubauen und sie zu pflegen, seien es nun freundschaftliche oder erotische.

Das Buch „Bauchlandung“ ist im S.Fischer-Verlag unter der ISBN 978-3-596-17953-4 erschienen, umfasst 95 Seiten und kostet 7,99 €.

Frank Raudszus

 

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