Die Kunsthalle Schirn zeigt in der Ausstellung „Letzte Bilder von Manet bis Kippenberger“ Spätwerke ausgewählter Künstler

Print Friendly, PDF & Email

Abschiedsgeschenke

Die Kunsthalle Schirn zeigt in der Ausstellung „Letzte Bilder von Manet bis Kippenberger“ Spätwerke ausgewählter Künstler

Manet: Bouquet de Pivoines, 1882
So mancher große Künstler ist im Vollbesitz seiner Kräfte gestorben, hat ein Bild vollendet, ohne zu wissen, dass es sein letztes war. Andere dagegen fühlten den nahenden Tod und bereiteten sich auch künstlerisch auf ihn vor, indem sie ihr Schaffen bewusst abrundeten. Wieder andere mussten der todesnahen Schwäche ihren Tribut zollen und ihre Arbeiten auf das Wesentliche reduzieren. Die Kunsthalle Schirn, die außer den indiviuellen Retrospektiven in gewissen Abständen auch Themen-Ausstellungen anbietet, hat sich jetzt diesem Thema dediziert zugewandt. Dabei stellt sich die Frage, was ein „letztes Bild“ eigentlich ist: gehört dazu auch das letzte Werk eines Malers, der zehn Jahre vor seinem Tod mit dem Malen aufgehört hat oder der im besten Mannesalter nach Fertigstellung eines Bildes einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen ist?

Schirn-Direktor Max Hollein und Kuratorin Esther Schlicht waren sich dieser Problematik durchaus bewusst, und Hollein wies in seiner Einführung ausdrücklich darauf hin, dass man von einem, „letzten Bild“ eigentlich nur reden könne, wenn darin Abschiedsgesten zu erkennen seien, das Bild eine andere Aura ausstrahle als ihre chronologischen Vorgänger. Diese Frage wäre nur dann einfach zu beantworten, wenn ein Künstler unmittelbar nach Vollendung eines Bildes einen offensichtlich von langer Hand geplanten Suizid begangen – man denkt da an Gunther Sachs, der allerdings Kunst nur gesammelt hat – oder das „letzte Bild“ im sicheren Wissen um einen unmittelbar bevorstehenden Tod gemalt hätte. Doch das ist in der Realität nie oder selten der Fall, so dass die Auswahl der Werke unter diesem Blickwinkel allein aufgrund des jeweiligen Werk-Charakters oder aus der Biographie des Künstlers erfolgen kann.

Kippenberger:
                  Untitled, 1996
Die Ausstellung „letzter Bilder“ darf dabei laut Esther Schlicht nicht mit dem Begriff des „Spätwerks“ verwechselt werden, der meist eine ganze Stilrichtung beschreibt, die sich im fortgeschrittenen Lebensalter eines Künstlers entwickelt und oft auch als Höhepunkt des Künstlerlebens betrachtet wird. Hier geht es jedoch um die besondere Eigenart der letzten Bilder, die wahlweise als Ausrufezeichen, Abschiedsgeste oder Affront aufgefasst werden kann.
Die Kuratorin ist daher so vorgegangen, dass sie sich die letzten Werke verschiedener bekannter Künstler angesehen hat und aufgrund der jeweiligen Begutachtung entschieden hat, was in dem besagten Sinn als „letztes Bild“ gelten kann. Dabei hat sie den Kreis der in Frage kommenden Maler letztlich auf vierzehn Namen reduziert und diese schließlich jeweils in Zweierpaarungen einander gegenüber gestellt. In sieben – magische Kulturzahl! – Räumen sind diese Künstlerpaare sorgsam voneinander getrennt angeordnet, so dass der Betrachter sich ganz auf das jeweilige Künstlerpaar konzentrieren kann.

Jan de Kooning: Untitled VIII, 1986
Im ersten Raum hängen sich Edouard Manet und Claude Monet gegenüber, zwei mit so ähnlichen Namen und doch so unterschiedlichen Abschiedsbildern. Manet verbrachte seine letzten, von Krankheit gezeichneten Lebenswochen mit eher kleinformatigen Gemälden der Blumengestecke, die ihm die Besucher mitbrachten, während Monet die Seerosen in seinem Garten auf großformatige Leinwände bannte. Diese Paarung zweier berühmter Impressionisten ist natürlich der beste Einstieg, den man sich denken kann, vor allem für ein breites Publikum.

Henri Matisse und Willem de Kooning bilden die zweite Paarung: Konings verschlungene Farblinien, die wegen der beginnenden Demenz des Künstlers lange nicht ernst genommen wurden, werden mit Henri Matisses stark abstrahierten Szenenbildern konfrontiert, die bisweilen an Picasso erinnern.
Weiter geht es zu Alexej von Jawlensky und Stan Brakhage. Jawlensky ist in Deutschland vor allem durch seine enge Zusammenarbeit mit Wassily Kandinsky und Gabriele Münter bekannt. Die Ausstellung zeigt stark vereinfachte „Strich“-Portraits, die ihre Aussage hauptsächlich durch feine Unterschiede der Linienführung und die Farbgebung erhalten. Ihm zur Seite steht die „Chinesische Serie“ von Stan Brakhage, ein Schmalfilm, in dessen Einzelbilder der Künstler Spuren mit dem Fingernagel gekratzt hat.
Die amerikanische Malerin Georgia O´Keeffe hat in ihren letzten Bildern die Weite des Himmel über den Wolken dargestellt, während ihr Raumnachbar Walker Evans in seinen letzten Lebensmonaten seine unmittelbare Umgebung mit einer Polaroid-Kamera abgelichtet hat.
Einen besonderen Platz nimmt – wie könnte es anders sein! – Andy Warhol ein. Seine großflächige Zeichnung „The Last Supper“ ist eine fast naturgetreue Reinkarnation von Leonardos „Abendmahl“, garniert mit modernen Ikonen der Werbeindustrie – „Camel“. Mit diesem die Wand beherrschenden Bild korrespondieren verschiedene letzte Bilder von Giorgio di Chirico auf der gegenüber liegenden Wand: phantasmagorische Kompositionen mit konturlosen Köpfen oder inkommensurablen Kontexten.

Martin Kippenberger hat zuletzt die Witwe von Pablo Picasso in verschiedenen Posen gemalt, bricht die Portraits jedoch durch anstrakte Element und nimmt ihnen damit das Indiviuell-Eindeutige. Daneben hängen Francis Picabias  „Punktbilder“ – einsame Punkte auf monochromem Hintergrund.
Bleibt noch ein Paar: aus der jüngeren Moderne grüßen Bas Jan Ader mit einer Reihe von Schwarzweiß-Fotografien aus einem städtischen Umfeld und dem enignmatischen „Bulletion 89“ sowie Ad Reinhard mit monochromen Bildern mit rechteckigen Abschattierungen und der totalen Reduktion von durchgehend schwarzen Bildern.
Der Gang durch diese Ausstellungsräume lässt den Besucher erst einmal ratlos zurück, da die Bilder selbst kaum von sich als „letzte Bilder“ sprechen. Erst die Kenntnis des Gesamtwerkes des jeweiligen Künstlers sowie das Wissen um dessen letzten Lebensmonate und -jahre können den Stellenwert der „letzten Bilder“ vermitteln. Für Besucher dieser Ausstellung bleibt also genug vor und nach der Besichtigung zu tun, um die Bedeutung der einzelnen Werke wirklich zu erfassen.
Die Ausstellung „Letzte Bilder“ ist vom 28. Februar bis zum 2. Juni 2013 dienstags sowie freitags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags von 10 bis 22 Uhr geöffnet.

Frank Raudszus

 

No comments yet.

Schreibe einen Kommentar