D. H. Lawrence: „Söhne und Liebhaber“

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1307_lawrence.jpgDie Hörversion des Romans über die Folgen einer starken Mutterbindung

Der englische Schriftsteller David Herbert Lawrence (1885-1930) war ein Kind eines Bergarbeiters aus Nottingham. In seinem Erstlinsgroman „Söhne und Liebhaber“ flossen autobiographische Erfahrungen aus dem Bergarbeitermilieu ein.

Der Bergarbeiter Walter Morel und seine junge Frau streiten sich oft, da Walter viel Zeit und Geld in den Wirtshäusern verbringt. So wendet sich seine Frau stärker ihren drei Kindern, vor allen ihren Söhnen William und Paul zu. Als William, der Älteste, erwachsen wird, löst er sich – gegen den Willen der Mutter – zunehmend vom Elternhaus, geht nach London und macht dort eine für einen Bergarbeitersohn durchaus achtbare Karriere. Doch die Tuberkulose macht einen Strich durch seine Pläne und lässt ihn bereits in jungen Jahren sterben. Die schwer getroffene Mutter wendet sich daraufhin noch stärker dem sensiblen und künstlerisch veranlagten Paul zu. Zwischen diesen beiden entsteht eine enge Verbindung, die man zwar nicht erotisch nennen kann, die aber über die normale Mutter-Kind-Beziehung hinausgeht.

Paul erwidert die innigen Gefühle seiner Mutter und richtet sein Leben mehr und mehr nach ihr aus. Als er ein junges Mädchen aus der Nachbarschaft kennenlernt, verliebt er sich in sie und sie sich in ihn. Doch die Mutter sieht in dem jungen Mädchen eine Konkurrentin und stellt ihren Sohn durch geschickte psychologische „kriegsführung“ vor eine Entscheidung, die nur gegen das Mädchen ausfallen kann. Daraufhin versucht Paul es noch einmal mit einer älteren, von ihrem Mann getrennht lebenden Frau, und es kommt zu einer stürmischen Liebschaft. Doch dieses Mal wehrt sich seine Mutter – trotz verhatltener Zustimmung zu der ungleichen Liaison – mit einer schweren und zweifellos echten Krankheit. Als sie an dem Krebsleiden stirbt, trennt sich Paul endgültig von der Frau, die schließlich hzu ihrem Mann zurückkehrt. Paul gibt seine künstlerischen Ambitionen auf und verfällt als kleiner Angestellter einer Strumpffabrik der frauenlosen Mittelmäßigkeit und einem Leben, das sich in der immergleichen Ödnis von Arbeit und Alkohol erschöpft.

Zur Zeit seiner Veröffentlichung (1913) galt der Roman weiten Kreisen als obszön, weil er die Sexualität für das damalige Verständnis zu frei ansprach. Aus heutiger Sicht sind diese Passagen eher bieder. Doch  wichiger und provokonter war, dass er die seelischen und vor allem erotischen Befindlichkeiten der Frauen deutlich ansprach, was bereits deren geistig-seelische Eigenständigkeit über das bloße Hausfrauen- und Mutterdasein implizierte und die patriarchalische Gesellschaft verunsicherte. Darüber hinaus deckte der Roman offensichtlich die versteckte Macht der Frauen, vor allem der Mütter in einer nur scheinbar „männlichen“ Gesellschaft auf. Paul befindet sich bis zum Tode seiner Mutter und sogar über diesen hinaus in den psychologischen Fängen seiner Mutter und wird sich nie daraus befreien können. Beziehungen zu Frauen werden ihm auch künftig unmöglich sein, weil er stets unbewusst seine Mutter um Rat und Erlaubnis fragen wird. Lawrence hat damit literarisch ein Thema verarbeitet, das andere, wie etwa Sigmund Freud, zur selben Zeit wissenschaftlich aufarbeiteten.

Das Hörspiel lebt von seinen starken Darstellern, die den Personen durchweg authentisches Leben einhauchen. Allen voran ist Angela Winkler als Mutter. Sie zieht alle Register der Sprache, um die  jeweilige seelische Lage und die Wünsche ihrer Figur darzustellen. So kann sie mitfühlend und tröstend wirken und dabei doch ihre Botschaften in ihren Sohn einsickern lassen. Diese Mutter agiert nicht mit Schreien und Anklagen, sondern mit subtiler Verführung, und Angela Winkler bringt alle Schattierungen dieser weiblichen Psyche überzeugend zum ausdruck. Neben ihr überzeugen Wolf-Dietrich Sprenger als Walter Morel und Patrock Güldenberg als ihr Sohn Paul. Die Rolle des William spricht Andreas Pietschmann, die Schwester Annie, die nur selten in Erscheinung tritt, Effi Rabsilber.
Stark sind auch die Sprecherinnen der beiden Frauen, zu denen sich Paul hingezogen fühlt. Anne Müller verleiht der jungen Miriam eine frühe Gereiftheit und das gefasste Leid einer Verlassenen, während Bibiana Beglau der Clara Dawes – die verheiratete Frau – einen selbstbewussten und durchsetzungstarken Charakter mitgibt.

Das Hörbuch „Söhne und Liebhaber“ ist im Hörverlag unter der ISBN 978-3-86717-990-4 erschienen, umfasst 3 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 252 Minuten und kostet 19,99 €.

Frank Raudszus

 

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