Das Orchestre de Chambre de Lausanne unter und mit Christian Zacharias spielt beim Rheingau Musik Festival Werke von Beethoven

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Das Orchestre de Chambre de Lausanne

Sinfonischer Beethoven kammermusikalisch  

Das Orchestre de Chambre de Lausanne unter und mit Christian Zacharias spielt beim Rheingau Musik Festival Werke von Beethoven
Obwohl sich in diesem Jahr weder Geburts- noch Todestag von Ludwig van Beethoven runden, feierte das Rheingau Musik Festival den Komponisten in diesem Jahr mit einem eigenen sinfonischen Abend im „Friedrich-von-Tiersch“-Saal des Kurhauses Wiesbaden. Konzertveranstalter bemühen sich heute eher um eine spannungsreiche Mischung verschiedener Komponisten oder gar Epochen, doch der Pianist und Dirigent Christian Zacharias, Leiter des Orchestre de Chambre de Lausanne, hatte diesen Abend ganz Ludwig van Beethoven gewidmet. Warum auch nicht, denn Beethoven bietet genug musikalischen Stoff, um mehr als einen Abend zu füllen.

Nun werden Beethovens sinfonische Werke üblicherweise von personell gut ausgestatteten Sinfonieorchestern interpretiert, da sich seine Musik sozusagen für einen mächtigen Klangkörper anbietet. Salopp gesprochen, kann Beethoven nicht laut genug gespielt werden, zumindest in seinen Finalsätzen. Da fällt es denn schon ein wenig aus dem Rahmen, wenn ein ausgesprochenes Kammerorchester – und als ein solches präsentiert sich dieses Orchester im wahrsten Sinne des Wortes – Beethovens sinfonischer Werke annimmt.

Dirigent und Solist Christian ZachariasAuf dem Programm des Abends standen die Ouvertüre zur Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“, op.43, das 4. Klavierkonzert in G-Dur, op. 58, sowie die 7. Sinfonie, op.92, in A-Dur. Sieht man einmal von dem Klavierkonzert ab, bleiben zwei sinfonische Werke, die für ihre Klangfülle und Dynamik bekannt sind, also einem großen Orchester ein weites klangliches Betätigungsfeld bieten.

Christian Zacharias zeigte jedoch gleich zu Beginn mit der kurzen „Prometheus“-Ouvertüre, dass es keines überdimensionierten Klangkörpers bedarf, um Beethovens sinfonische Werke authentisch aufzuführen. Präzision, Transparenz und sorgfältig aufgebaute Dynamik sind die tragenden Säulen einer überzeugenden Interpretation, und diese Merkmale lassen sich auch mit einem kleineren Orchester realisieren. Frisch und zupackend präsentierte das Orchester die Ouvertüre, wobei Christian Zacharias das Orchester mit minimalen Handbewegungen steuerte. Er schien nicht zu dirigieren sondern nur Hinweise zu geben, die das Orchester weitgehend selbständig umsetzte. Schon hier konnte man erkennen, wie gut Ensemble und Dirigent aufeinander eingespielt waren.

Der Umbau für das Klavierkonzert erforderte einige Minuten und brachte dadurch die musikalische Atmosphäre ein wenig zum Erliegen. Ob sich das besser organisieren lässt, bleibt dahingestellt. Doch mit den ersten Takten des Klavierkonzerts hatte Christian Zacharias die Atmosphäre wiederhergestellt. Da er selbst als Solist auftrat und das Orchester vom Flügel aus leitete, spielte er mit dem Rücken zum Publikum, während der Flügel in das Orchester integriert war. Also nicht die klassische Solistenaufstellung mit Flügel und Pianist an der Rampe und das Orchester dahinter. Das ergab auch eine andere Klangkonstellation. Der Flügel war mehr in den Klang des Oorchesters eingebettet und dominierte nicht die Akustik so stark wie bei der herkömmlichen Aufstellung. Das passte natürlich hervorragend zum Typus dieses Klavierkonzerts, das sich durch seine lyrischen und melodischen Akzente auszeichnet und auf die sonst typische Expressivität Beethovenscher Werke verzichtet. Im Gegensatz zum 3. oder gar 5. Klavierkonzert verzichtet dieses Werk auf die große Geste und zeigt eher kammermusikalische Züge. Bezeichnend ist dabei bereits der Beginn, den hier gegen die Gewohnheit der langen Orchestereinleitung das Klavier mit der Vorstellung des ersten Themas bestimmt, ehe das Orchester dieses Thema aufnimmt und im versonnenen Dialog mit dem Klavier weiterführt.

Die Leitung des Orchesters vom Flügel aus erlaubte dem Publikum, sowohl den Solisten als auch den Dirigenten stets im Blick zu behalten. Wenn Christian Zacharias nicht gerade – mit beiden Händen – spielte, modellierte er die Dynamik und den Klang des Orchesters mit sparsamen, an wichtigen Stellen jedoch markanten Handbewegungen und bewies damit dem musikalischen Laien, dass man durchaus gleichzeitig als Solist und Dirigent wirken kann (als Trompeter ginge das wohl kaum). Von Anfang an prägte Zacharias auch seinem Klavierspiel eine kammermusikalische Note ein. Brillanz setzte er sparsam und nicht als Selbstzweck ein, der Flügel blieb bei ihm durchgehend ein Teil des Orchesters und spielte sich selbst bei der Kadenz im ersten Satz – und bei der zweiten im letzten Satz – nicht in den Vordergrund. Das bedeutete jedoch nicht, dass der Flügel im Orchesterklang unterging. Das verhinderte schon der von Beethoven vorgesehen Dialog zwischen Klavier und Orchester, der immer wieder beiden Partner Raum zur klanglichen Entfaltung bietet.

Der zweite Satz setzt nach sehr kurzer Pause mit den düsteren Akkorden des Orchesters ein, die durch die introvertierte Antwort des Klaviers etwas abgemildert werden. In der Folge entwickelt sich ein kontrastreicher Dialog zwischen den fast schwermütigen Mahnungen des Orchesters und den lyrischen Linien des Klaviers, bis sich erst das Klavier und dann das Orchester zu einem neuen, freundlichen Thema aufschwingen.

Der dritte Satz geht nach einem Ritardando nahtlos aus dem zweiten hervor und präsentiert sich als lebendiges Rondo, das jetzt dem Pianisten noch einmal die Möglichkeit bietet, auch seine virtuosen Fähigkeiten zu beweisen. Auch hier wechseln sich Orchester und Klavier in der Gestaltung der Themen ab, wobei das Soloinstrument zwischendurch immer wieder Gelegenheit zur freien Gestaltung erhält. Dann beschränkt sich das Orchester auf Begleitfuktionen. Christian Zacharias behielt bis zum Schluss den intimen, kammermusikalischen Tenor bei, was nicht mit mangelnder Klangfülle zu verwechseln ist. Doch dieses über weite Strecken introvertierte und liedhafte Konzert bietet sich eher dem Nachspüren der einzelnen Klänge an, als dass es den Klangrausch anstrebt. Orchester und Klavier bildeten bis zum Schluss eine homogene Einheit, in der das Klavier eher als „primus inter pares“ denn als Soloinstrument auftrat.

Nach der Pause – Zacharias gab bewusst keine Solo-Zugabe! – ertönte dann mit der 7. Sinfonie ein Werk, dass eigentlich für das große Orchester geschrieben wurde. Doch auch hier zeigte Zacharias, dass die Interpretation durch ein kammermusikalisch orientiertes Orchester in keiner Weise zurückstehen muss. Keinen Augenblick hatte man das Gefühl, dass die Klangfülle des Orchesters für diese Sinfonie nicht ausreicht. Der erste Satz ist sowieso über weite Strecken durch ein verhaltenes Tempo geprägt, und der zweite, den Zacharias recht schnell nahm, gleicht eher einem Trauermarsch als dem üblichen lyrischen Andante. Hier verzichtet Beethoven auf alles Lieblich-Versöhnende und lässt eher schwermütige Assoziationen walten. Dafür ist das Scherzo fast fröhlich zu nennen, und Christian Zacharias ließ es dann auch sehr akzentuiert interpretieren, sozusagen als Gegenpol zum düsteren zweiten Satz. Den letzten Satz schloss er unmittelbar an den dritten an und zeigte anschließend, dass auch ein kleineres Orchester diesen dynamisch wirbelnden Satz überzeugend interpretieren kann. Gerade die höhere Klangtransparenz eines etwas kleineren Orchesters lässt die einzelnen Instrumente deutlicher hervortreten, so dass man die unterschiedlichen Stimmen verfolgen kann und die musikalische Struktur besser versteht.

Nachdem Zacharias nach seinem Solokonzert keine Zugabe gegeben hatte, tat er dies nun konsequent zusammen mit dem Orchester. Der heftige Beifall des Publikums, der schnell in „stehende Ovationen“ überging, bewegte das Ensemble dazu, gemeinsam noch die Ouvertüre zu Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ zu spielen. Also am Ende doch nicht nur Beethoven!

Frank Raudszus

 

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