Maren Kroyman und ihre Band begeben sich beim Rheingau-Musik-Festival auf eine Zeitreise in die sechziger Jahre

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Maren Kroymann und ihre Band

Zurück in die Sechziger  

Maren Kroyman und ihre Band begeben sich beim Rheingau-Musik-Festival auf eine Zeitreise in die sechziger Jahre
Die „Domäne Rauenthal“, ein Weingut im Rheingau oberhalb von Eltville, war am 13. August der Startpunkt für eine Zeitreise. Schon die Anfahrt gestaltet sich entsprechend verwunschen, muss man doch auf engen Wegen durch die Weinberge hoch zum Weingut kurven, von wo man dann einen Traumblick auf das Rheintal genießen kann. Doch um den Rheinblick ging es an diesem Abend nicht, denn nachdem die Gäste im ausverkauften Zelt Platz genommen hatten, ging es – ohne Anschnallgurte! –  auf eine nostalgische Zeitreise in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Pilotin der Zeitfähre war Maren Kroyman, die vielen aus dem Fernsehen bekannt ist; ihre Mannschaft (im wahrsten Sinne des Wortes) bestand aus den Musikern Johannes Roloff (Klavier und Arrangements), Ralf Lehmann (Gitarre), Immo Hoffmann (Schlagzeug) und Jürgen Schäfer (Bass).

Das Motto des Abends – „In my sixties“ – hatte eine doppelte Bedeutung. Maren Kroyman gestand gleich nach dem ersten Lied – „I only want to be with you“ von Dusty Springfield -, dass sie bereits über sechzig sei. Diese Aussage führt bei galanter Auslegung auf das Geburtsjahr 1953, bei gehässiger auf 1943. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Maren Kroyman wuchs als Professorentochter mit vier Brüdern im beschaulich-akademischen Tübingen auf, wo in den fünfziger Jahren die Welt noch in Ordnung war. Ihre Pubertät setzte dann  irgendwann in den frühen sechziger Jahren an und endete nach ihren eigenen Aussagen bis heute nicht. Eben diese wichtige Zeit im Leben eines Menschen brachte sie mit den deutschen – und amerikanischen – Schlagern der sechziger Jahren in Kontakt. Schnell merkte sie, dass viele deutsche Schlagersänger nicht singen konnten, Elvis Presley aber durchaus. So suchte sie ihre musikalischen Idole zum Leidwesen ihres akademischen Elternhauses nicht bei Beethoven oder Bach, sondern bei den englischsprachigen Schlagersängern ihrer Zeit. Und da begeisterte sie vor allem die britische Soul-Sängerin Dusty Springfield, deren Stern ab 1962 aufzugehen begann. Bis heute hat Maren Kroymann diese Neigung nicht verloren, und daher beruht ihr Repertoire zum großen Teil auf Dusty Springfields Liedern. Ihre Stimme hat auf jeden Fall genügend Volumen und Präsenz, um die diese Songs neu zu „covern“, wie man heute so schön sagt.

Maren Kroymann zeigt jedoch nicht nur stimmliche Qualitäten, sondern in mindestens ebenso großem Maße Talent als Entertainerin und Schauspielerin. Dabei kommt ihr Aussehen ihr zur Hilfe: schlank, beweglich und temperamentvoll, wie sie ist, geht sie glatt als Fünfzigjährige durch und beherrscht die Bühne souverän. Auch ihre Interpretation der verschiedenen Schlager variiert sie mit viel Humor und Ironie. So trällert sie ein Lied von einer der vielen „Girl Groups“, die in den Sechziger trotz ihres überschaubaren sängerischen Könnens am Schlagerhimmel aufstiegen, mit genau dem leicht blechernen Stimmchen und dem naiven Selbstbewusstsein, die diese Gruppen damals auszeichneten.

Ekstase der SechzigerGerne erzählt sie auch von ihrem Privatleben – bis hin zum Intimen – in den Sechzigern. So etwa von ihrem lange vergeblichen Versuch, den Sex kennenzulernen, oder von Diskussionen mit ihrer konservativen Mutter über eben dieses damals schamhaft beschwiegene Thema. Alle Besucher dieses Abends, die etwa in Maren Kroymanns Alter waren – es war die Mehrheit -, fühlten sich bei den lebendig erzählten Anekdoten aus dem Leben der Sängerin in ihre eigene Jugend zurückversetzt. Man hörte des Öfteren zustimmendes Raunen oder sogar spontane Zustimmung.

Maren Kroymann hat natürlich nicht nur Dusty Springfield im Repertoire. Neben dem eher als Scherzeinlage gedachten Schlager der „Girl group“ sang sie an diesem Abend auch das berühmte „Sunny Afternoon“ der Gruppe „The Kinks“ oder auch „Standing on the Corner“ von dem von ihr bewunderten Dean Martin. Dann ging es auch einmal in den deutschen Sprachraum mit dem „Feigling“-Rock, der heute deutlich gegen die politische Korrektheit verstoßen würde, da er feministische Positionen unterläuft. Daran knüpfte Maren Kroymann dann eine längere Betrachtung frauenfeindlicher Witze an, wie sie in den sechziger Jahren üblich waren (und leider heute noch sind!).

Ihr schauspielerisches Talent zeigt sie bei ihren Erzinnerungen an ihre Jugend- oder Studentenzeit in Berlin. Wenn eine erfahrenere Freundin der erotisch noch unbedarften Maren etwas über einen „ach so erotischen“ Regisseur erzählt, dann treffen das arrogante Saugen an der imaginären Zigarette und das aufgesetzte Gerede über ausgefallene Erotik und die künstlerischen Höhenflüge eines Erfolglosen die Sache so auf den Punkt, dass man sich des Lachens einfach nicht mehr enthalten kann.

Das ganze Programm ist auf Maren Kroymann zugeschnitten. Zwar lobte sie bei der Vorstellung jeden einzelnen der Musiker über den grünen Klee und stellte die jeweiligen Fähigkeiten in leuchtenden Farben dar, doch außer dem Gitarristen haben die Musiker wenig Gelegenheit, ihre ganzes Können zu demonstrieren. Lediglich bei den Kostümwechseln der Solistin konnte Ralf Lehmann einmal aus sich herausgehen und im Stile eines wildgewordenen Bühnengitarristen der sechziger Jahre auftreten, mit all den dazugehörigen Körperverrenkungen.

Maren Kroymann präsentiert mit diesem Programm eine unterhaltsame und musikalisch durchaus anspruchsvolle Tour durch die sechziger Jahre. Im Gegensatz zu anderen Programmen in den Weingütern fehlen hier jedoch eine ausgeprochene musikalische Originalität oder musikalische Höhepunkte, die man nicht vergisst. Dennoch genossen die Zuschauer über zwei Stunden Lang gute Unterhaltung, etwas Nostalgie und viel Witz.

Frank Raudszus

 

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