Ein Kriminalroman über die Probleme Südafrikas
Charlotte Otter ist eine in Deutschland lebende Südafrikanerin, die lange als Kriminalreporterin gearbeitet hat. Das prädestiniert sie dazu, einen Kriminalroman mit typisch südafrikanischer Problematik zu schreiben. Eines der größten Probleme Südafrikas ist derzeit Aids. Sowohl die Einstellung hauptsächlich der farbigen Männer zur Sexualität und der Krankheit im Speziellen wie auch die Reaktion der Regierung auf die Aidsepedemie haben diese erst richtig zum Ausbruch kommen lassen. Die Autorin stellt dieses Thema in den Mittelpunkt ihres Romans.
Maggie Coete ist Kriminalreporterin bei der Gazette, der Zeitung von Pietermaritzburg. Sie ist temperamentvoll, zäh und engagiert. Als einzige in der Redaktion hat sie sich ihre Position ohne jegliche Ausbildung buchstäblich erschrieben. Sie hat nur eine Schwäche: statt sich bei brisanten Kriminalfällen auf die professionelle Berichterstattung zu beschränken, engagiert sie sich und ergreift sogar Partei, wenn ihr Gerechtigkeitsempfinden nachhaltig betroffen ist.
Als eines Morgens ein stadtbekannter Aids-Aktivist vor dem Haus der Aidshilfe erschossen wird, sieht es anfangs nach einem hundsgemeinen Raubmord aus, da Handy und Brieftasche des Opfers fehlen. Doch der Ermordete hatte noch eine Woche vor seinem Tod die Journalistin wegen einer angeblich dringenden Angelegenheit angerufen, sie ihn aber abgewimmelt. Als sie daraufhin – schuldbewusst – ein wenig recherchiert, stellt sie fest, dass Balthasar Meiring – so hieß der Ermordete – jede Menge Feinde hatte. Seine Aktivitäten rund um Aids – Aufklärung, lindernde Medikamente, persönliche Betreuung und de Bloßstellung von Scharlatanen – störten nicht nur die konservativen, puritanischen Weißen sondern auch viele der abergläubischen Schwarzen – und außerdem einige Kriminelle, die rings um Aids ihre dubiosen Geschäftsmodelle aufgebaut hatten.
Maggie bohrt weiter und Gerät prompt mit ihrem Chef in Konflikt, der ihr Unprofessionalität vorwirft und sie abmahnt. Doch auch anderen gefallen ihre Nachforschungen nicht, und so sieht sie sich nicht nur mit anonymen Drohungen, sondern auch mit persönlichen Attacken auf ihre körperliche Unversehrtheit konfrontiert. Mit Glück und der Hilfe fürsorglicher Kollegen übersteht sie diese gefährlichen Situationen und kommt der Wahrheit um den Tod Balthasar Meirings immer näher. Dabei entdeckt sie weitere Seiten des Opfers und stößt auch auf weitere Verbrechen, die noch auf eine Aufklärung warten.
Wie in einem guten Krimi üblich, muss die Heldin den Kelch fast bis zur Neige leeren, das heißt bis zur Suspendierung gegen die Regeln der Zeitung verstoßen, ehe sie zum Kern der Verbrechen und auf die wahren Übeltäter stößt. In einem typischen „Cliffhanger“-Showdown bringt sie schließlich den Hauptschuldigen nebst einigen „Nebentätern“ zur Strecke und wird zum Dank sogar befördert.
Charlotte Otters Roman bringt ein brennendes Problem Südafrikas auf den Punkt und stellt die daran beteiligten gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen kompromisslos ins literarische Rampenlicht. Die Handlung ist spannend aufgebaut und erfüllt durchaus die Kriterien eines guten Krimis. Die Liebesgeschichte, die sich bis zum „happy end“ durch den ganzen Roman zieht, wirkt jedoch ziemlich aufgesetzt und riecht nach einem Zugeständnis an den Lektor, der so etwas wegen der Verkaufbarkeit gerne fordert. Maggies Liebhaber hat nämlich mit dem Kriminalfall so gut wie gar nichts zu tun und wird gegen Ende geradezu krampfhaft in die Handlung integriert. Die Auflösung des Mordfalls ist dann aus einer „ethnischen“ Perspektive zwar politisch korrekt aber nicht unbedingt logisch, da die dem Täter unterstellten oder nachgewiesenen Taten und Motive nicht unbedingt zu seinem gesellschaftlichen Profil passen. Man gewinnt gegen Ende ein wenig den Eindruck einer „Gesinnungsliteratur“, und das ist eine vordergründig zwar löbliche, literarisch aber eher fragwürdige Zuschreibung.
Das Buch „Balthasars Vermächtnis“ ist im Argument-Verlag unter der ISBN 978-3-86754-214-2 erschienen, umfasst 317 Seiten und kostet 13 .
Frank Raudszus
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