reGIERung – in den Fängen der Lobbyisten

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Die Berliner Distel widmet sich einer fröhlichen Zunft hartnäckiger Schwätzer

Der naive Bürger mag meinen, der Souverän sei das Volk. Doch da irrt er ganz gewaltig. Denn zwischen dem Urnengang und der Gesetzesverabschiedung tummelt sich ein großes Herr von Momos grauen Herren. Diese hier sind letztlich gar nicht so grau, sondern erstaunlich lebensfroh. Denn sie haben eine Mission und unterwerfen sich dieser untertänigst. Mit größter Hingabe und Energie lenken sie die Republik in die Richtung ihrer Auftraggeber und amüsieren sich sarkastisch über ihre größten Erfolge. Sie lieben es untereinander zu prahlen und Erfolge auszuschmücken – fühlen sie sich doch als die wahren Steuermänner der Regierung. Nun man meint es kaum aber wir sprechen von den Lobbyisten. Dieses Völkchen von dem ein jeder schon mal gehört hat, die aber gleichfalls öffentlichkeitsscheu sind und lieber hinter den Politikern und „Entscheidungsträgern“ der ersten Reihe zurücktreten. Lasse man doch nur diese Publikumsmenschen ihre Bühne haben – in Wirklichkeit sind sie Puppen geführt an hunderten seidenen Fäden, die ihre Geschicke bestimmen.

Ort: Kabarett Theater Distel Berlin. Titel.: Wie geschmiert!. Ein Kabarettprogramm von: Martin Maier-Bode, Jens Neutag, Thilo Seibel, Soeren Sieg. Es spielen: Dagmar Jaeger, Stefan Martin Mueller, Michael Nitzel. Es musizieren: Fred Symann (Klavier), Matthias Lauschus. Regie: Dominik Paetzholdt. Premiere: 25.10.12 Copyright: Marcus Lieberenz / bildbuehne.de (Veroeffentlichung nur gegen Honorar und Belegexemplar!)

Foto: Marcus Lieberenz

Und an diesem Abend haben wir das große Vergnügen einmal in diese illustere Runde hineinzuschauen. Unsere Lobbyisten haben sich zu ihrem regelmäßigen Stammtisch in einem Italiener in der Friedrichstrasse zusammengefunden. Doch statt der prächtigen Runde der Sonnengötter haben es heute nur zwei geschafft und die sind ganz verwundert, als ihre Mitstreiter nicht erscheinen. Doch warum den Kopf hängen lassen, wenn man bei einem ersten Weinchen oder Bier noch gleich die neusten Errungenschaften austauschen kann. Und da gibt’s nun wirklich herrliche Kunststücke der Industrie zu bestaunen. Einer der neusten darunter ist die unbedingte Notwendigkeit die Flugsicherheit weiter zu erhöhen, was uns diese vielen spannenden und wahnsinnig teuren Geräte am Flughafen beschert hat. Ach was sind wir nicht glücklich über den Bodyscanner, mit dem sich nun jeder Bürger für zumindest acht Sekunden mal als Guantanamohäftling fühlen darf, während hunderte Augen bestaunen, wie die großen Röntgenarme galant den Körper umschwingen. Und ganz frisch entdeckt, gibt es nun auch Flüssigkeitsscanner die Parfüm und Sonnencreme auf Sprengfallen hin untersuchen. Eines muss man sagen, Lobbyisten fördern die Innovationskraft unserer Konzerne und erreichen damit ein substanziell stärkeres Wirtschaftswachstum. Sind sie quasi die Retter unserer Volkwirtschaften ewigen Wachstums? Sie sehen es ganz bestimmt so!

Und wie herrlich ist das Leben, wenn man nicht auf der klagenden Seite des einfachen Bürgers steht, der keine normale Glühbirne für 80 Cent mehr findet, sondern nun zur Energiesparlampe für 6,99 € greifen muss, welche letztlich in Herstellung und Entsorgung die Glühbirne… na seis drum! Das wurde bei der ökologischen Abwägung nun mal anders dargestellt. Der Lobbyist ist eben ein Künstler, dem es gelingt zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, die richtige Studie hervor zu zaubern. Und wenn der werte Politiker nicht möchte, dann kann man immer noch mit Massenentlassungen und sozialen Unruhen drohen. So kämpft ein jeder seinen Kampf in der guten Gewissheit ein wenig Unnötigkeit übers Volk zu bringen aber schließlich genügt es den Konzernbilanzen, Arbeitsmarktstatistiken und dem heiligen Wirtschaftswachstum. Da gehen eben schon mal ein paar Panzer nach Saudi Arabien oder werden ganze Landstriche mit Solaranlagen versiegelt. Wahrscheinlich hatten der Münchner Transrapid und der Berliner Flughafen einfach nicht diese Kaliber an Lobbyisten, wie wir sie an diesem Abend vertreten durch Stefan Martin Müller und Michael Nitzel sowie ihre Gegenspielerin Dagmar Jaeger bestaunen dürfen. Sonst würde der Transrapid nun schon von München bis Berlin fahren und der Frankfurter Flughafen wäre Geschäftsaufgabe stillgelegt. Oder sind hier vielleicht einfach andere Lobbyisten unterwegs, weil es sich die Lufthansa so schön in Frankfurt und München eingerichtet hat? Wer möchte da schon eine Air Berlin, die in einer wachsenden Hauptstadt womöglich noch richtig Fuß fasst.

Foto: Marcus Lieberenz

Foto: Marcus Lieberenz

Der fröhliche Abend erfreut den Zuschauer noch mit hübschen Klängen der Musiker Fred Symann (Klavier) und Matthias Felix Lauschus. So kommt nun wirklich die gelöste Sektempfangsstimmung zum Chin-chin einer neuen Vorschrift auf. Wahrlich eine der größten Akte war wohl die Einführung der Katalysatoren. Heute ein guter Standard über dessen Errungenschaft wir uns alle freuen, damals eine Innovation, die kaum ein Entscheidungsträger technisch nachvollziehen konnte. Aber mal ehrlich, wie soll das auch gehen, wenn Politiker heutzutage im Wochenrhythmus Milliardenrettungsschirme für Banken, Staaten und die ganze Europäische Union beschließen müssen. Ein bisschen Nachsicht bitte!

Malte Raudszus

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