Stian Hole: „Morkels Alphabet“

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Ein sensibles Jugendbuch für das Ende der Kindheit.

Die erste Liebe kommt auf zartsamtenen Pfoten daher. Kein Wunder, man hat ja noch wenig Erfahrung mit dem anderen Geschlecht und tastet sich behutsam an den anderen heran.

1605_morkelMorkel tut dies, indem er kleine Botschaften auf einem gefrorenen Acker auslegt. Anna findet die Zettel und liest: „Die Laubsänger sind schon weg“. Später: „Die Mauersegler auch“. Sie spürt, dass sie gemeint ist, wird neugierig und begibt sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Zettelschreiber. Es ist ein Klassenkamerad, aber einer, der fast nie zur Schule kommt. Sie kennt ihn kaum, aber trotzdem bewirken die Botschaften, dass Anna sie in ihre Träume einflicht und am nächsten Tag den Jungen besucht, der in einem Baumhaus wohnt.

Morkel ist ein Wörtersammler, und so schenkt Anna ihm Worte wie „Moschusochse“, „Gänsehaut“ und „Ackerland“. Anna lernt mit Morkel eine völlig andere Welt als die gewohnte zu Hause oder in der Schule kennen. Sie spürt eine große Kraft und Energie in sich, und ihre Gedanken bekommen Flügel. Die beiden verbringen herrliche Nachmittage im Baumhaus, dick eingemummelt in ihre Anoraks, und immer geht es um neue Wörter-Bälle, die sie sich zuspielen. Morkel weiß viel über Tiere und die Natur. Er fühlt sich draußen wohl und beobachtet alles, was um ihn herum geschieht, z. B., dass der Fuchs zwar wie eine Hund aussieht, sich aber wie eine Katze benimmt.

Doch wie die Zugvögel wegfliegen, so ist auch Morkel eines Morgens ausgeflogen, als Anna ihn besuchen will. Geblieben ist ein verwaistes Baumhaus, das nur aus Brettern besteht. Doch die echte, wahre Liebe überdauert auch eine Trennung, und so finden die beiden über Buchstaben, Wörter und die Natur wieder zueinander.

Der norwegische Kinderbuchautor Stian Hole findet den Zugang zu seinen jungen Lesern mit ungewöhnlich eindringlichen Bildern und einer zartfühlenden Geschichte, die viel Raum für die eigene Phantasie lässt und den Leser auf ungewöhnlichen Pfaden in die Natur entführt. Hier gibt es herrlich viel zu entdecken und mit Wörtern zu bebildern.

Das Buch „Morkels Alphabet“ ist im Hanser-Verlag erschienen und kostet 14,90 Euro.

Barbara Raudszus

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