Stefan Ahnhem: „Minus 18 Grad“

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Nach einer Verfolgungsjagd durch das schwedische Helsingborg rast das verfolgte Auto absichtlich in das Hafenbecken. Die Leiche des Fahrers wird als ein bekannter Unternehmer identifiziert und der Fall als „Unfall“ beinahe zu den Akten gelegt, wenn nicht ein übergenauer Pathologe feststellen würde, dass der Tote tiefgefroren war und bereits vor gut zwei Monate gestorben sein muss.

Die skeptische Mordkommission um Kommissar Fabian Risk nimmt die Ermittlungen nur zögerlich und fast halbherzig auf. Doch bald stellt sich heraus, dass der Tote bereits seit zwei Monaten nicht mehr in der Firma erschienen war und diese von zu Hause geleitet hatte. Niemand, der ihn wirklich kannte, hatte ihn seitdem mehr gesehen, und öffentliche Kontakte hatte er nur mit ihm noch unbekannten Menschen gepflegt. Als erstes hatte er seinen Führerschein schriftlich erneuern lassen und bei diesem Antrag gleich eine neue Telefonnummer und Anschrift angegeben. Seine Bankverbindung hatte er telefonisch auf eine andere Filiale verlegt und den Verkauf all seiner Firmenanteile über einen neuen Berater gestartet. Ebenso hatte er den Verkauf seiner Villa über einen fremden Makler geplant.

Diese Erkenntnisse führen die Ermittler schnell zu der Schlussfolgerung, dass hier ein professioneller Verbrecher sich die Identität vermögender Privatpersonen aneignet, diese umbringt und sie tiefgekühlt für die richtige „Entsorgungsgelegenheit“ lagert. Also gilt es nicht nur, die Vorgeschichte des aktuellen Falles zu untersuchen, sondern auch nach weiteren potentiellen Opfern unter den Reichen der Umgebung zu suchen, von deren Tod man noch gar nichts weiß.

Bei der Suche nach diesen potentiellen Opfern stoßen die Ermittler bald auf weitere Unstimmigkeiten. Weitere reiche Männer haben überraschend Besitz verkauft und sich angeblich zurückgezogen. Anfangs nehmen die Ermittler nur ledige und kinderlose Opfer unter die Lupe, doch in einer Nebenhandlung erfährt der Hörer, dass auch Familienvater zu Opfern werden können, wenn der Täter nur skrupellos genug ist.

In einem zweiten Handlungsstrang geht es um die sinnlose und kaltblütige Ermordung von Obdachlosen im dänischen Helsingör, wobei die Täter die Tat auch noch über dunkle Kanäle ins Internet stellen. Eine junge Polizistin, wegen unglücklicher Ereignisse zur Streifenpolizistin degradiert, ahnt, dass es hier nicht um Einzelfälle sondern um eine landesweite Serie geht, und verfolgt gegen ihren eigentlichen Dienstauftrag jede Spur auf eigene Faust. Ihre Vorgesetzten und Kollegen spielen die Bedeutung der Morde jedoch als Folge von Streitereien unter Obdachlose herunter und legen ihr alle nur möglichen Hindernisse in den Weg. Eine alte Verbindung zu Fabian Risk schafft eine wenn auch lockere Verbindung zu den Fällen in der gegenüber liegenden schwedischen Stadt.

Die spannende Jagd nach den Tätern auf beiden Seiten des Öresunds wird angereichert durch persönliche Probleme der Protagonisten. Die Chefin des schwedischen Ermittlerteams ist nach einer traumatischen Ehescheidung dem Alkohol verfallen, und ihr Mitarbeiter Fabian Risk hat nicht nur mit einer trennungswilligen Frau, sondern auch noch mit zwei pubertierenden Kindern zu kämpfen. Sein psychisch belasteter Sohn wird über seine Freundin unfreiwillig und nichtsahnend in die Mordserie an den dänischen Obdachlosen verwickelt.

Als die Ermittler schließlich den Identitätsdieb und Mörder bei einer gründlich geplanten Aktion während eines Banktermins stellen können, entflieht er nach Ermordung des Bankangestellten. Zwar können sie später einen Mann stellen, den sie für den Täter halten, aber fehlende Fingerabdrücke verhindern eine offizielle Verhaftung. Als darauf die einzigen Zeugen, die ihn identifizieren könnten, plötzlich umkommen, ist den Ermittlern alles klar, aber sie stehen machtlos mit leeren Händen da.

Wie der Täter schließlich doch noch zur Strecke gebracht wird und welche Gefahren und Hindernisse dabei noch auftreten, wollen wir hier nicht verraten. Und auch die junge dänische Polizistin kommt nach Überwindung vieler Hindernisse noch zu einem Erfolg. Doch wenn am Ende alle Polizisten auf verschiedene Weise ihren Erfolg feiern, wartet noch eine unerwartete Pointe auf den Hörer, die tief ins Herz der (schwedischen?) Gesellschaft führt.

David Nathan liest diesen Roman mit der nötigen Eindringlichkeit, bei Bedarf auch Schnoddrigkeit, Naivität, pubertärem Gehabe oder giftigen Bosheit, wie sie die Wechselfälle des kriminalen und privaten Lebens mit sich bringen, und verbreitet damit eine beklemmende und dichte Atmosphäre.

Das Hörbuch ist im Verlag Hörbuch Hamburg erschienen, umfasst 2 mp3-CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 949 Minuten und kostet 19,99 Euro.

Frank Raudszus

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