Eine packende Zeitreise ins Hochmittelalter

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Richard Löwenherz ist einer der Ikonen des Mittelalters, da ihm aus historischer Zeit ein besonders hoher Ruf des Edelmuts und der Tapferkeit anhängt. Vor allem in der Bilder- und Textliteratur für Jugendliche findet man ihn in tendenziell vorbildhafter Darstellung. Das Historische Museum der Pfalz in Speyer hat ihm nun eine ausführliche Ausstellung gewidmet, die jedoch nicht die herkömmliche Verherrlichung fortsetzt, sondern sich auf eine so detailreiche wie auch kritische Weise mit seiner Person auseinandersetzt.

Ein Blick in die Ausstellungsräumlichkeiten

Richard Löwenherz, offiziell Richard I., kam im Jahr 1157 als dritter Sohn des englischen Königs Heinrich II. und dessen Ehefrau Eleonore zur Welt, und wurde 1189 nach mehreren dynastischen Kämpfen zwischen den Brüdern und dem Vater zum König von England gekrönt. Der englischen Krone gehörten zu dem Zeitpunkt dank geschickter Heiratspolitik sämtliche französischen Küstengebiete an Kanal und Atlantik bis hinunter zur spanischen Küste. Das führte verständlicherweise zu großen Spannungen mit dem französischen König Philipp II., der diese Gebiete als ureigenes französisches Gebiet betrachtete, aber nur über ein kleines Krongebiet um Paris herum herrschte.

Bildwerke und Schriftstücke

Als Richard nach seiner Krönung dem Aufruf des Papstes zu einem Kreuzzug folgen wollte, bestand die Gefahr, dass Philipp während seiner Abwesenheit territoriale Fakten schaffen könnte. Da dieser – als guter Christ – jedoch ebenfalls dem Aufruf des Papstes folgen musste, beschloss man, gemeinsam zu reisen, um sich gegenseitig zu neutralisieren. Der Sieg bei Akkon im Norden des heutigen Israels über Sultan Saladin ist laut den verfügbaren Dokumenten zum großen Teil auf Richards Tatkraft und Entschlossenheit zurückzuführen, wenn auch Philipp II. durchaus maßgeblich daran beteiligt war. Dieser kehrte nach einem Zerwürfnis mit dem egomanischen und undiplomatischen Richard frühzeitig nach Frankreich zurück und begann, am englischen Hof zusammen mit unzufriedenen Adligen gegen Richard zu intrigieren. Als dieser davon erfuhr, beschloss er, aus Zeitgründen mit nur wenigen Gefährten per Schiff und über Land inkognito nach England zurückzukehren.

Der Stammbaum der Plantagenets

Im Laufe des Kreuzzugs hatte er sich jedoch alle Herrscher Europas mehr oder minder zu Gegnern gemacht, so dass jeder Herrscher auf seinem Rückweg an einer Gefangennahme interessiert war. So fiel er schließlich in Österreich dem Stauferkaiser Heinrich VI. in die Hände, der ihn erst nach zwei Jahren gegen ein hohes Lösegeld (23 Tonnen Silber!) an seine Mutter Eleonore übergab. Richard Löwenherz starb auf ziemlich triviale Weise im Jahr 1199, als ihn bei einer Belagerung einer eher unwichtigen Burg in Frankreich während eines unvorsichtigen abendlichen Kontrollgangs ein feindlicher Bogenschütze erspähte und erschoss. Richard Löwenherz hatte sich jedoch durch konsequentes und jahrelanges Selbstmarketing, zu dem auch der Beiname „Löwenherz“ und die Gefangenschaft beitrugen, einen Ruf als tapferer und selbstloser Held erworben, den selbst spätere Historiker durch kritische Berichterstattung nicht erschüttern konnten.

Das Kreuz Heinrichs des Löwen

Die Ausstellung in Speyer geht jedoch auf alle Stationen in Richards Leben detailliert und mit viel bildlichem und schriftlichem Material ein und beleuchtet dabei alle Seiten des angeblichen „Helden“. Dabei sind die Kuratoren nicht der Versuchung einer „historischen Hinrichtung“ aus späterem Wissen erlegen, sondern betonen immer wieder den historischen Kontext, der den Egoismus des Stärkeren – vor allem des Gewinners – als Normalfall gelten ließ. Wer im Kreis der bedeutenden Herrscher nicht seine Ellbogen einsetzte, wurde schnell zum Verlierer. Das Recht des Stärkeren beherrschte damals noch unangefochten die Denkweise von Herrschern und Beherrschten.

Neben den vielen Artefakten beeindrucken auch die multimedialen Mittel, mit denen diese Ausstellung die Zeit des Mittelalters wiederaufleben lässt. So zieht sich Richards Kreuzzug auf verschiedenen Bildschirmen durch die ganze Ausstellung, wobei die Reiseroute optisch dargestellt wird und Richards Eindrücke und Entscheidungen durch „Whatsapp“-ähnliche Texte eingeblendet werden. An anderen Stellen zeigen ausgesprochen realistische digitale Simulationen und Animationen des Mittelalters die wichtigsten Länder, Städte und Herrschaftsverhältnisse im Europa dieser Zeit. Daneben kann man Reliquien aller Art, Bilder und Bücher sowie Kleidungsstücke der damaligen Zeit betrachten.

Wer sich einen intensiven Eindruck vom Mittelalter, den Kreuzzügen und wichtigen Personen sowie Ereignissen dieser Zeit verschaffen möchte, sollte sich diese Ausstellung nicht entgehen lassen. Näheres erfährt man auf der Webseite des Historischen Museums der Pfalz in Speyer.

Frank Raudszus

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