Marius Goldhorn: „Park“

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Mit dem schmalen Band „Park“ legt der 29-jährige Autor Marius Goldhorn seinen Debütroman vor.

Der Roman gibt ein Abbild des durch social media geprägten Lebens seiner Generation.

Arnold, aus dessen Perspektive wir diese Welt kennenlernen, ist ein junger Mann Mitte zwanzig, der sich als Lyriker versteht und versucht, seine Erfahrungen, seine sinnlichen Wahrnehmungen, Hoffnungen und Sehsüchte in eine Form zu bringen.

Wir begleiten Arnold auf seiner Reise nach Athen, wohin ihn seine Ex-Freundin Odile eingeladen hat. Sie dreht dort einen Film und braucht seine Hilfe am Set. Die Reise führt ihn zunächst mit dem Zug von Berlin nach Paris. Zwei Tage lang streift er durch die Stadt, bis der Flieger nach Athen geht.

Während der Zugfahrt wie auch in Paris ist seine Haupttätigkeit, auf sein iPhone oder auf sein Macbook zu sehen. Ständig kontrolliert er die Uhrzeit, ständig checkt er seine Mails, chattet mit beliebigen Freunden, wenn es denn überhaupt Freunde sind. Die Inhalte der Chats sind meist Banalitäten des Alltags, entsprechend bruchstückhaft sind die Chatdialoge.

Der Zeitverlauf ist zerstückelt durch die ständige Kontrolle.

Arnolds gesamtes Tun hat keinen Zusammenhang, alles in seiner Umgebung scheint gleich wichtig. Auch das Wissen ist zerstückelt, ständig wird etwas gegoogelt und so ein Wissen produziert, das sich nirgends anheftet, sondern im luftleeren Raum steht.

Alles bleibt flüchtig und unverbindlich, auch die Beziehungen. Wenn man den einen im Chat nicht erreicht, tut es ein anderer für das beliebige Hin und Her, wirkliche Kommunikation findet nicht statt, wohl aber die Sehnsucht danach.

Arnold scheint seine innere Verlorenheit zu spüren. In einem wirren Traum löst er sich schließlich auf, zurück in der Realität hat er Mühe sich zu orientieren.

Es bleibt die Hoffnung auf Athen und einen Neubeginn der Beziehung zu Odile, aber das erweist sich als Illusion. Es bleibt ihm nichts übrig, als das Spiel der Unverbindlichkeit weiter mitzuspielen.

Goldhorn nimmt die eigene Generation sehr kritisch unter die Lupe. In sachlicher Erzählhaltung präsentiert er die jungen Menschen, die sich in scheinbarer Leichtigkeit dem Zwang einer überall und zu jeder Zeit möglichen Erreichbarkeit unterwerfen. In diesem Umfeld gibt man sich cool und von Gefühlen nicht besonders berührt. Verzweiflung, depressive Stimmungen oder Selbstzweifel werden höchstens in lässigem Ton angedeutet und damit gleichzeitig relativiert. Man gibt sich intellektuell, tut aber eigentlich nichts. Natürlich kifft man, obwohl man weiß, dass man dadurch erst recht ein williger Konsument wird, also systemkonform ist.

Der Roman stellt die grundsätzliche Frage, wie diese jungen Menschen aus ihrer Getriebenheit und Orientierungslosigkeit herauskommen. Gibt es einen Ausweg? Und heißt der nur Verzicht auf das Smartphone und das Macbook? Arnold jedenfalls ist zum Schluss aufgrund bestimmter Umstände sein iPhone los. Wird er damit zurechtkommen? Oder ist die Abhängigkeit schon zu stark?

Goldhorn gelingt es, die Zerstückelung aller zeitlichen und situativen Abläufe in einer Sprache einzufangen, die überwiegend Hauptsätze aneinanderreiht und damit eben die Zusammenhanglosigkeit aller Ereignisse, Wahrnehmungen und Beziehungen spiegelt.

Wirkliche Nähe ist in dieser Welt schwierig, das Macbook und das iPhone sind immer dabei. Entsprechend sind auch die szenischen Dialoge, in denen Goldhorn die Figuren sich selbst darstellen lässt. Gesprochen wird nur das Nötigste, auch nach einer Liebesnacht.

Hinter all dieser Beliebigkeit verbirgt sich dennoch die Sehnsucht nach einer anderen Welt: Arnold hat die Vision, dass in ferner Zukunft aus einer Wüste ein Park werden könnte.

Aber wie sollen diese Menschen das anstellen?

Die Adressaten von Goldhorns Roman sind wohl in erster Linie seine Altersgenossen. Nur sie können die vielen Verweise auf bestimmte Musiktitel, Games, Filme und Buchtitel verstehen. Für sie ist dieser Spiegel ihrer Lebensform offenbar gedacht, denn nur die Erkenntnis, dass sie in der Sackgasse ihrer eigenen technischen Fortschrittlichkeit gefangen sind, kann die Suche nach Auswegen stimulieren.

Doch auch für Leserinnen und Leser der älteren Generation, die bereit sind, sich auf die Lebenseinstellungen der Jüngeren einzulassen und sie zu verstehen, ist dieser Roman ein Wegweiser. Allerdings macht Goldhorn es dieser Lesergruppe nicht leicht, denn die Sprödigkeit der Erzählhaltung motiviert nicht unbedingt, diesen jungen Leuten in ihrer Untätigkeit und nur scheinbaren Abgeklärtheit zu folgen. Wenn man es aber tut, hat man einiges über diese Generation verstanden.

Ältere Leserinnen aber werden sich vielleicht auch über einige sprachliche Schlampigkeiten ärgern. Zumindest verwundert es, dass ein Suhrkamp-Lektorat Sätze wie „Aliens haben mir ihre Sprache gelehrt“ sogar zweimal durchgehen lässt. Auch die falsche Verwendung von „scheinbar“ scheint kein Problem mehr zu sein (Demnach könnte ich auch schreiben: Das ist scheinbar kein Problem mehr.).

Das Buch ist im Suhrkamp Verlag (edition suhrkamp) erschienen, hat 179 Seiten und kostet 14 Euro.

Elke Trost

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