Susanne Abel: „Stay away from Gretchen“

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Tom Monderath ist ein ehrgeiziger Moderator beim Fernsehen. Er ist ehrgeizig, eitel und arbeitet im Übermaß. Da passt es überhaupt nicht in sein Konzept, dass seine alte Mutter Greta an Alzheimer erkrankt. Die Demenz macht sich schleichend bemerkbar, und Tom braucht einige Zeit, um zu realisieren, dass seine Mutter, die bisher alles alleine bewerkstelligt hat, nun auf Hilfe angewiesen ist. Erst als Greta sich auf der Autobahn verliert und nach zweihundert Kilometern am Straßenrand zum Stehen kommt, wird Tom klar, dass er sein bisheriges, egoistisches Leben anders einrichten muss. Er liebt seine Mutter und möchte ihr so gut wie möglich helfen. Greta selbst taucht immer mehr in die Erinnerung an früher ab.

Für den Leser ist es spannend zu lesen, wie genau die Nazizeit in Deutschland aus Gretas Perspektive begann. Wie begeistert sie an Hitler glaubte und hinter ihm stand. Als dann jedoch Gretas Vater in den Krieg ziehen musste und jahrelang als verschollen galt, war Greta kreuzunglücklich. Da lernte sie Bob kennen, einen farbigen amerikanischen Besatzungssoldaten. Die beiden verliebten sich ineinander, und als Greta dann schließlich ein „brown Baby“, die kleine Marie, zur Welt brachte, brach ihr ganzes Leben zusammen. Tom erfährt erst durch die demenzbedingte Schärfung der Langzeiterinnerung seiner Mutter, dass er irgendwo noch eine Halbschwester hat.

Die Leser können jetzt gebannt die spannende Suche nach Marie mitverfolgen und auch das Leid nachvollziehen, das Greta durch das farbige Kind ertragen musste. „Stay away from Gretchen“ ist ein fesselnder Roman, der einerseits vielschichtig über die beginnende Demenz berichtet, andererseits aber auch intensiv die Situation der „brown Babys“ im frühen Nachkriegsdeutschland beleuchtet. Für viele Leser wird letzteres ein Erfahrungsbericht aus der Besatzungszeit sein, den sie so noch nicht gelesen haben.

Das Buch ist im Deutschen Taschenbuchverlag (dtv) erschienen, umfasst 516 Seiten und kostet 20 Euro.

Barbara Raudszus

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