Trio mit Dichte und Prägnanz

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Klaviertrios des 18. Jahrhunderts waren weitgehend vom Klavier dominiert, weil dieses Instrument im wachsenden Bürgertum zunehmende Bedeutung für die Hausmusik gewann. Diese Dominanz hat später zwar abgenommen, ist aber auch in späteren Kompositionen immer noch erkennbar, wie das 5. Kammerkonzert des Staatstheaters Darmstadt zeigte. Offensichtlich spielt das Klavier mit seinem Resonanzkörper und den vielfältigen – vor allem akkordischen – klanglichen Kombinationsmöglichkeiten eine gewichtige Rolle im Zusammenspiel vor allem mit Streichinstrumenten.

Das „Trio Con Brio Copenhagen“ mit Soo-Jin Hong (v), Soo-Kyung Hong (vc) und Jens Elvekjaer (p) zeigte dies an drei Stücken aus der Zeit von 1797 bis 1911: Joseph Haydns Klaviertrio Nr. 44 in E-Dur, Beethovens „Erzherzogstrio“ in B-Dur (1820) und Charles Ives´ „Trio für Violine, Violoncello und Klavier“ aus dem Jahr 1911.

Haydns Trio folgt noch ganz dem oben erwähnten Gesetz, und man könnte es zu Recht als Klaviersonate mit Streicherbegleitung bezeichnen. Das Klavier weist nicht nur die größeren Spielanteile auf, sondern es führt auch thematisch und harmonisch durch die drei Sätze. Der erste beginnt liedhaft mit einem eingängigen Thema, das von den Streichern aufgenommen und umspielt wird. Im zweiten Satz entwickelt das Klavier über einer dominierenden Basslinie ein gleichmäßig dahinfließendes und variiertes Thema, das in seiner ganzen Art stark an Bach erinnert. Der dritte Satz kommt dann wieder lebhaft bis virtuos daher und versprüht streckenweise reine Lebensfreude. Jens Elvekjaert dirigierte die Interpretation nicht nur mit dem dominierenden Klavierpart, sondern auch mit prägnanter Körpersprache in der Kommunikation mit seinen beiden Mitspielerinnen.

Das Trio von Charles Ives brach die harmonische Grundstimmung des ersten Stückes bereits mit den ersten Takten auf. Der Bass des Cellos und das Klavier zeigen deutlich, dass es hier nicht um spätromantische Musik geht. In freier Metrik entstehen keine erkennbaren Themen, sondern kurze Motive, instrumentale Figuren und Akkorde in einer deutlich modernen, bisweilen atonalen Harmonik. Der zweite Satz zeichnet sich vor allem durch eine dynamisch-dissonante Struktur aus. Ives hat hier Studentenlieder unterschiedlichster inhaltlicher und musikalischer Couleur paraphrasiert und parodiert, woraus sich letztlich eine bewusste Kakophonie musikalischer Erinnerungen und Assoziationen ergibt. Der Finalsatz beginnt dagegen fast majestätisch, basiert er doch auf einer geistlichen Musik des Komponisten. Nach einer fast lyrischen Zwischenphase entwickelt sich eine getragene Intonation, und zum Schluss gewinnt dieser Satz sogar liedhafte Züge. Doch ungeachtet dessen transportiert dieser Satz eher eine komplexe seelische Befindlichkeit denn ein wiedererkennbares Lied. Das Trio widmete diesem so facettenreichen wie schwierigen Stück höchste Konzentration, galt es doch, den musikalischen Kern aus diesem scheinbar unentwirrbaren Knäuel von Dissonanzen, freier Rhythmik und dynamischen Kontrasten herauszuarbeiten. Und das gelang den drei Spielenden hervorragend.

Nach der Pause stand – als würdiger Schlusspunkt – Beethovens „Erzherzogtrio“ auf dem Programm. Dieses viersätzige, fast abendfüllende Werk hat mittlerweile fast schon den Status einer musikalischen Ikone mit hohem Wiedererkennungswert gewonnen. Das Trio war sich dieser Bedeutung bewusst und ging die Interpretation vom ersten Takt mit höchster Konzentration und Prägnanz an. Das Frage-Antwort-Spiel des ersten Satzes gestaltete sich derart pointiert und knapp, dass es fast wie „minimal music“ wirkte. Das Scherzo des zweiten Satzes entwickelte sich ausgesprochen akzentuiert, und das anschließende Trio gewann fast düstere Züge. Das „Andante“ des dritten Satzes strahlte eine Intensität aus, die an tiefe Trauer heranreichte, und erst der tänzerische Volksfestcharakter des Finalsatzes erlöste die Zuhörer aus dieser Jenseitigkeit.

Das Trio steigerte sich an Beethovens Musik noch einmal zu Höchstleistungen und maß die gesamte Ausdruckspalette der Beethovenschen Musik aus. Man hatte das Gefühl, dass die drei musizierenden Menschen auf der Bühne die Musik nicht spielten, sondern förmlich in und mit ihr lebten.

Das Publikum zeigte sich von dieser Leistung derart angetan, dass es noch eine Zugabe in Form eines Stückes von Antonin Dvorak erhielt.

Frank Raudszus

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