Fatma Aydemir: „Dschinns“

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Fatma Aydemir erzählt in ihrem Roman „Dschinns“ die Geschichte einer kurdisch-türkischen Familie. Vater, Mutter und alle vier Kinder werden mit ihren Verletzlichkeiten, Ängsten, Sehnsüchten und Anpassungsschwierigkeiten intensiv durchleuchtet. Der Vater leidet unter seinen Traumata aus türkisch-kurdischen Konflikten. Er sieht die Aufgabe seiner kurdischen Identität und Sprache zugunsten der türkischen Pendants als seine einzige Überlebenschance. Er verlässt sein kurdisch geprägtes Bergdorf und lebt fortan als angeblicher Türke unter Türken im Tal.

Sehr jung heiratet er ein fünfzehnjähriges Mädchen, das bald darauf schwanger wird und die Tochter Sevda zur Welt bringt. Die Schwiegermutter versucht, die enge Beziehung zwischen Mutter und Kind von vornherein zu unterbinden, denn sie plant, die Kleine an ihren älteren Sohn in Österreich weiterzugeben, da dessen Frau keine Kinder bekommen kann. So geschieht es, und bei dem jungen Paar kommt zum ersten Trauma noch ein weiteres hinzu.

Die beiden bekommen dann noch vier weitere Kinder und suchen ihr Auskommen und Lebensglück schließlich in Deutschland. Hier verdienen sie zwar viel mehr Geld, aber die Arbeit als einfacher Arbeiter kostet den Vater über die Jahre alle Kraft, um die Familie zu ernähren. Seine Frau Emine ist mit der Erziehung und Versorgung der Kinder vollauf beschäftigt und in der Neuzeit in Deutschland nie angekommen. Sie spricht die Sprache nicht, verkehrt nur mit anderen türkischen Müttern und versucht, ihre traditionellen Erziehungsziele weiterzugeben. Das geht nicht gut, und am Ende des Romans rechnet die älteste Tochter – die auch Sevda heißt – bitterbös und gnadenlos mit ihrer Mutter ab.

Etwas aufgesetzt, und offensichtlich dem aktuellen Zeitgeist geschuldet, wirken die Homosexualität des einen Sohnes sowie die Transgender-Geschichte um die älteste, früh weggegebene Tochter, die als Erwachsene lieber Mann und Kurde sein will. Das ist etwas viel für eine einzige Familie.

Dennoch schildert der Roman die Migrationserfahrung jedes einzelnen Familienmitglieds intensiv und überzeugend. Man liest diesen umfangreichen Roman gespannt und gewinnt dabei einen neuen Blick auf türkische Familien, die zwischen Tradition und Moderne ihren Weg suchen.

Das Buch ist im Hanser-Verlag erschienen, umfasst 511 Seiten und kostet 24 Euro.

Barbara Raudszus

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