… auf den Hund gekommen!

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Im August 1957 schockte die Sowjetunion den gesamten Westen und vor allem die USA mit dem ersten Weltraum-Satelliten „Sputnik I“. Und es kam noch schlimmer: im November schickte die UdSSR „Sputnik II“ erfolgreich in die Umlaufbahn, der mit der Hündin „Laika“ zum ersten Mal ein Lebewesen in den Weltraum trug.

Der Autor Christian Franke hat dieses Ereignis als Ausgangspunkt seines Theaterstücks „Laika und Margarita“ genommen, bei dessen Premiere in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt er selbst auch Regie führte. Er stellt dabei unter anderem die Frage nach der ethischen Rechtmäßigkeit dieses von vornherein mit tödlichem Ausgang geplanten Unternehmens. Dazu lässt er zwei zentrale historische Figuren auftreten: Korolojew (Jörg Zirnstein), den Leiter des Unternehmens, und Durow (Stefan Schuster), den Betreuer und Ausbilder der Hunde, von denen mehrere zur Auswahl standen. Es fängt auch ganz im Sinne eines klassischen Theaterstücks an, indem die beiden über den bevorstehenden Start sprechen, wobei sich erste Differenzen abzeichnen.

v.l.n.r.: Bianka Drozdik, Stefan Schuster, Aleksandra Kienitz und Jörg Zirnstein

Dann jedoch führt Franke zwei zusätzliche Figuren ein. Da ist einmal die Hündin Laika selbst, gespielt von der Puppenspielerin Bianka Drozdik mit einer fast naturgetreuen Hundefigur, und dazu kommt Margarita (Aleksandra Kienitz), die schon in dem verdächtig assoziativen Titel erscheint. Franke hat sie aus Michael Bulgakovs Roman „Der Meister und Margarita“ entliehen, wo sie in einem höchst komplexen und vor allem – zwecks Umgehung der Zensur unter Stalin – metaphorischen Umfeld auftritt. Der Bezug ist eindeutig, da während des Stücks die Namen Voland und „Meister“ fallen, beide zentrale Figuren in Bulgakovs Roman. Für Zuschauer, die diesen Roman nicht kennen, und das dürfte für die Mehrheit des Publikums gelten, bleibt diese Figur mit ihren genannten Begleitern kryptisch. Im besten Fall wird sie nur als seltsame Frau wahrgenommen, die der Autor als Gegenpol zur herrschenden Männerwelt aufbaut.

Das tut sie dann auch ausgiebig im Sinne einer „postmodernen“ Anklage gegen die herrschende Welt des Wettbewerbs und der Sucht, Erster zu sein. Dazu brauchte man allerdings den symbolbeladenen Namen Margarita überhaupt nicht, und es bleibt unerfindlich, warum Franke diese spezielle Margarita aufruft, die in Bulgakovs Roman ganz bestimmte dramaturgische und literarische Funktionen ausübt. Dass sich seine Margarita wie ihr Vorbild bisweilen auch als Hexe bezeichnet und entsprechend agiert, ist der einzige schmale Bezug auf den Roman.

Bianka Drozdik, Stefan Schuster und Alexandra Kienitz

Margarita und Laika – oder besser: Aleksandra Klienitz und Bianka Drodzik – geben dann auch früh – ohne Hund! -ein Gespann zweier exaltierter Punk-Frauen, die in breitestem Trump-Englisch – die Ähnlichkeit ist wohl nicht zufällig – über Staat, Gesellschaft und Männer herziehen. Diese Show bietet zwar einen gewissen Unterhaltungswert, lässt sich aber seitens des Publikums nur schwer in die Haupthandlung einbauen. Irritation!

Während die beiden Männer sich nur noch sporadisch über den (Un-)Sinn heldenhaft sterbender Hunde austauschen, beginnt Margarita einen Dauer-Dialog mit Laika. Dabei entwickeln die Szenen mit dem sprechenden Hund anfangs durchaus einen gewissen Witz, doch wird dieser Gag bis zum Ende der zweistündigen Aufführung fast pausenlos überstrapaziert. Das hat zur Folge, dass man nur noch Bianka Drozdik sieht und hört und den Hund gar nicht mehr beachtet. Das ist der Fluch der Entscheidung, die Puppenspielerin nicht hinter ihrer Puppe verschwinden zu lassen. Der Umstand, dass Bianka Drozdik in einer ganzen Reihe von Szenen nicht als Puppenspielerin, sondern einfach als frei agierende Partnerin von Aleksandra Kienitz auftritt, verstärkt diesen Effekt noch.

Neben diesem Zerfasern der – kaum vorhandenen – Handlung in knappe Männer- und ausufernde Hundedialoge verzettelt sich diese Inszenierung auch inhaltlich. So erzählt Korolojew seinem Kollegen ausführlich vom harten Leben in den stalinistischen Gulags bis hin zu einer literarischen Lagergeschichte um einen lebensrettenden Roman, der jedoch mit der aktuellen Handlung nichts zu tun hat. Dann wieder erzählt er von einem frühen Plan der sowjetischen Wissenschaft, den Tod zu besiegen und die Toten wieder zu erwecken. Für die damit uferlos wachsende Suche wollte man ferne Planeten besiedeln, womit sich ein wenn auch eher utopischer Bezug zur Handlung ergibt. Das verband Franke am Premierenabend noch mit einer Art Preisrätsel in Gestalt eines Kreuzworträtsels, was jedoch ein wenig an einen Kindergeburtstag erinnerte.

Ensemble in der Rakete

Das Bühnenbild von Sabine Mäder betont zwar mit der lebensgroßen Attrappe einer Raketenspitze den Hintergrund der Handlung, doch das von einem einzelnen Statisten besetzte Kontrollzentrum mit Bildschirm und Tastaturen verlässt nie den Status einer Requisite, und besagter Statist fährt lediglich mit dem Finger hin und wieder über die Geräte. Man wartet stets auf ein diese Kulisse einbeziehende Handlungselement, doch nichts geschieht.

Dafür springt dann – noch ein handlungsferner Gag! – ein echter Hund aus der Raketenattrappe, und die Kamera verfolgt seinen schnellen Lauf aus Kammerspielen bis ins Foyer zu einem Kinderchor und zurück in die Kammerspiele. Vielleicht lustig für die Kinder, aber ohne Bezug zum Bühnengeschehen.

Am Schluss ist das gesamte Ensemble inhaltlich „auf den Hund gekommen“ und Jörg ZIrnstein muss schon einen bellenden Zuschauer mit einem „Ham wir´s?“ zur Ordnung rufen. Dann versammelt sich das Ensemble in der Rakete und erwartet einen weiteren Start ins Nirgendwo. Und dem Publikum drängt sich der Spruch auf, jemanden auf den Mond zu schießen.

Am Ende verhaltener, freundlicher Beifall, aber anschließend Kopfschütteln und Schulterzucken.

Frank Raudszus

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